Die Göttliche Liturgie

 

Schema zum Aufbau der Göttlichen Liturgie

 

A. Die Liturgie der Katechumenen

 

1. Eingangssegen

2. Friedensektenija (Großes Friedensgebet in Form von Fürbitten)

3a. Drei Antiphonen und zwei kleine Ektenija

3b. nach der 2. Antiphon Hymnus "O eingeborener Sohn ..."

4. Kleiner Einzug (mit dem Evangelienbuch)

5. Troparien und Kondakien des Tages.

6. Trishagion-Hymnus

7. Prokimen und Apostelllesung

8. Alleluija und Evangeliumslesung

9.  Predigt

10. Eindringliches Fürbittengebet

11. Bittgebete

12. Ektenija für die Katechumenen

13. Hauptbeugungsgebet zur Entlassung der Katechumenen

14. Entlassung der Katechumenen

 

B. Die Liturgie der Gläubigen

 

1. Fürbittengebet für die Gläubigen

2a. Großer Einzug (Übertragung der vorbereiteten Gaben vom Prothesis-Tisch auf den Altar)

2b. Cherubimshymnus

3. Großes Bittgebet

4. Friedenskuss und Glaubensbekenntnis

 

5. Die heilige Anaphora (das eucharistische Hochgebet)

 

5a. Anamnese ( = Gedächtnis der Heilstaten Gottes),

5b. Darbringung der heiligen Gaben

5c. Epiklese (Herabrufen des Heiligen Geistes zur Wandlung der heiligen Gaben)

 

5d. Gedächtnis der allheiligen Gottesgebärerin und der Heiligen

5e. Gedächtnis des Patriarchen und des Ortsbischofs und der Dyptichen

 

6. Vorbereitung auf die heilige Kommunion

7. Herrengebet (Vater unser)

8. Brotbrechung und Vermischung der heiligen Gaben.

9. Kommunion (zuerst der Priester und Diakone, dann der Gläubigen)

10. Zurücktragen des Kelches auf die Prothesis

 

11. Danksagungsgebete

10.Entlassung und Segen

11.Empfang des Antidoron

 

Kurzgefasster Überblick

zum Ablauf der Göttlichen Liturgie

 

Die heute am häufigsten gefeierte Liturgieform ist die Liturgie des heiligen Johannes Chrysostomus-Liturgie. Sie geht der Überlieferung nach, die durch neueste Untersuchungen bestätigt wurde, auf die Redaktion des heiligen Johannes Chrysostomus zurück. Neben der Chrysostomus-Liturgie wird die in den priesterlichen Eigengebeten längere Liturgie des heiligen Basilius des Großen gefeiert. Die Basilius-Liturgie wird heute noch zehnmal im Laufe des Kirchenjahres gefeiert und zwar am Fest dieses Heiligen (01. Januar), am Vorabend des Festes der Geburt Christi (25. Dezember) und am Vorabend des Festes der Taufe Christi (06. Januar), an fünf Sonntagen der Großen Fastenzeit, am Gründonnerstag und am Karsamstag.

 

Die  Göttliche Liturgie besteht aus drei Hauptteilen:

 

A) Die Proskomidie

B) Die Liturgie der Katechumenen

C) Die Liturgie der Gläubigen

 

Struktur der Göttlichen Liturgie:

 

Die Proskomidie – die Vorbereitung auf die Liturgie

 

A. Vorbereitung der Liturgen

 

Gebet vor den Heiligen Türen

Begrüßung der Ikonen

Eintritt in den Altarraum

Ankleiden der Liturgen

Handwaschung

 

B. Bereitung der Gaben (Proskomedie)

 

Den Lesungen geht eine längere Eröffnungsfeier voraus. Und vor dieser Eröffnungsfeier vollzieht der Priester in der Prothesis die Vorbereitung der Gaben von Brot und Wein für die Liturgie. In diesem Teil der Liturgie, Proskomedie genannt, wird das in der Orthodoxen Kirche benutzte gesäuerte Abendmahlsbrot (πρόσφορον = Opferbrot = Prosphore) in vorgeschriebener Weise aufgeschnitten und in genau festgelegter Form auf die mit einem Fuß versehene Brotschale (Δίσκος = Diskos) gelegt und der Kelch mit Wein und Wassergefüllt. Schließlich werden beide Gefäße mit eigens dafür vorgesehenen Decken (Aer und großes Velum) verhüllt. All dies wird von Gebeten begleitet.

 

1. Schlachtung des Lammes

2. Gedächtnis der Heiligen, der Lebenden und Verstorbenen

3. Beräucherung und Verhüllung der Gaben

4. Bereitungsgebet

 

Liturgie der Katechumenen

 

 Eröffnung (Himmlischer König)

 

Die Eröffnungsteil der Liturgie des Wortes, in deren Mittelpunkt die Psalmen (Psalmen 102 & 145) und die Hymnen (O eingeborener Sohn und die Seligpreisungen (Makarismen)) stehen.

 

1. Eingangssegen

2. Große Ektenija (Fürbittgebet)

3. Erste Antiphon (Psalm 102)

4. Kleine Ektenija

5. Zweite Antiphon (Psalm 145)

6. Hymnus "O eingeborener Sohn"

7. Kleine Ektenija

8. Dritte Antiphon (Seligpreisungen)

 

Auf den Eröffungsteil der Liturgie des Wortes  mit Hymnen, Psalmen und Gesängen folgt die eigentliche Liturgie des Wortes, in deren Mittelpunkt die Lesungen der Epistel und des Evangeliums stehen. Sie wird durch den Kleinen Einzug eingeleitet. Beim Kleinen Einzug wird das Evangelienbuch feierlich vom Diakon, in Begleitung des Priesters, vom Altarraum durch die nördliche Tür des Ikonostas in die Mitte des Kirchenschiffes und von dort durch die Mitteltür zum Altar getragen.

 

9. Kleiner Einzug (=Einzug mit dem Evangelienbuch)

10. Troparien und Kondakien des Tages

11. Trisagion 

12. Lesungen (Apostel und Evangelium)

13. Inständige Ektenija

14. (Ektenija für die Entschlafenen)

15. (Bittgebete für besondere Anlässe) 

16. (Ektenija,  Hauptbeugungsgebet und Entlassung der Katechumenen)

 

Liturgie der Gläubigen

 

Auf die Liturgie des Wortes folgt die Liturgie der GläubigenAuch sie beginnt wiederum mit einem Einzug, dem »Großen Einzug«.

 

1. Ektenija und erstes Gebet für die Gläubigen

2. Ektenija uns zweites Gebet für die Gläubigen

3. Großer Einzug ("Die wir die Cherubim..."; Prozession und Übertragung der Gaben auf den Altar

4. Gebet "Der edle Joseph nahm herab vom Holze..."

 

Beim Großen Einzug werden die vor der Liturgie vorbereiteten Gaben auf dem verhüllten Diskos vom Diakon und der gefüllte, aber ebenfalls verhüllte Kelch vom Priester von der Prothesis durch die nördliche Türe des Ikonostas in die Mitte des Kirchenschiffes und von dort durch die Mitteltür auf den Altar getragen. Der Große Einzug wird umrahmt vom Gesang des Cherubimshymnus (Cherubikon). Während des Großen Einzugs wird von den Liturgen ein Gebet vorgetragen, in dem des Patriarchen, des Ortsbischofs, gegebenenfalls des Abtes, aller Priester, Diakone, Mönche, des Staatsoberhauptes, des Volkes, der Stifter und Wohltäter der Kirche bzw. des Klosters und aller lebenden und verstorbenen Gläubigen gedacht wird und verschiedene Anliegen vorgebracht werden.

 

5. Ektenija "Lasset uns vollenden unser Gebet zum Herrn..."

6. Friedensgruß und Glaubensbekenntnis

 

7. Die heilige Anaphora

 

Den Höhepunkt der Liturgie bildet der Vollzug der Anaphora, des großen eucharistischen Gebetes über die vorbereiteten Gaben. Es beginnt mit einer Segensformel und einem Dialog zwischen Priester und Gemeinde, der eine feierliche Aufforderung, die Herzen zu erheben und dem Herrn dankzusagen, einschließt.

 

a. Einleitungsdialog ( "Lasset uns schön stehen, lasset uns stehen mit Ehrfurcht, lasset uns aufmerken, das heilige Opfer in Frieden darzubringen... Erbarmen des Friedens, Opfer des Lobes..").

 

b. Eucharistisches Dankgebet

 

Der erste Teil des Dankgebet preist das Heilswirken Gottes an den Menschen und leitet am Ende des ersten Teils zum Siegeslied der Engel im Himmel, dem "Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen" über.

 

Der zweite Teil des Dankgebetes verkündet die Heiligkeit Gottes und seine Liebe, die ihn seinen Sohn dahingeben lässt, »damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe«. Er schließt die Herrenworte über Brot und Wein ein, die laut gesprochen und jeweils von der Gemeinde mit »Amen« beantwortet werden. Der dritte Teil des Dankgebetes enthält die Anamnese, d. h. das Gedenken an das Gebot: »Das tut zu meinem Gedächtnis«.’ Dabei werden auch die mit diesem Gedächtnis verknüpften Heilstaten der HERRN erwähnt: das Kreuz, das Grab, die Auferstehung am dritten Tage, die Himmelfahrt, das Sitzen zur Rechten des Vaters und die kommende Wiederkunft in Herrlichkeit. Diese Heilstaten sind durch die Anwesenheit des

Herrn in Brot und Wein, die in Seinen kostbaren Leib und Sein allheiliges Blut verwandelt werden, gegenwärtig. Mit diesem Gedächtnis verbunden ist die Darbringung der Gaben: "... bringen wir dar das Deine vom Deinigen in allem und für alles". Die Gemeinde antwortet darauf mit dem Lobpreis: "Dich loben wir, Dich preisen wir, Dir danken wir, o Herr, und beten zu Dir, unserm G

 

f. Epiklese ("...Und mache dieses Brot zum kostbaren Leib Deines Christus...Amen...Und was in diesem Kelch ist, zum kostbaren Blut Deines Christus... Amen...Sie verwandelnd durch Deinen Heiligen Geist....Amen. Amen. Amen.")

 

An die Anamnese schließt unmittelbar die Epiklesed. h. das Gebet zu Gott dem Vater, dass er den Heiligen Geist auf die Gemeinde und die vorliegenden Gaben herabsende und die Gaben durch IHN in den kostbaren Leib und allheilige Blut Christi verwandle, an. So ist der Heilige Geist derjenige, durch dessen Kraft im Mysterium (Sakrament) der heiligen Eucharistie die die wirkliche Gegenwart Christi im Leben der Kirche bewirkt wird.

 

g. Diptychen

 

8. Vorbereitung auf die heilige Kommunion

 

Der zweite Teil der Liturgie der Gläubigen ist auf die Kommunion der verwandelten Gaben ausgerichtet. Gebete, in denen die Bitte um einen würdigen Empfang der »himmlischen, furchtbaren Mysterien dieses heiligen und geistlichen Tisches« ausgesprochen wird, leiten zum Herrengebet, dem »Vaterunser« über.

 

a. Ektenija ("Aller Heiligen eingedenk, wieder und wieder...")

b. Gebet "Vater unser..."

c. Hauptbeugungsgebet

 

Nach der Aufforderung des Diakons an die Gläubigen aufzumerken, ruft der Priester: "Das Heilige den Heiligen", worauf die Gemeinde antwortet: "Einer ist heilig, Einer Herr: Jesus Christus in der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen". Anschließend singt der Chor die Kommunion-Antiphon (Koinonikon) vom Tage.

 

d. Brotbrechung 

e. Einigung im Kelch

f. Zeon - Beigabe des heißen Wassers als Symbol des Heiligen Geistes.

 

Mit der Aufforderung des Diakons: »Brich, Gebieter, das heilige Brot!« beginnt nun die Brotbrechung und Vermischung der heiligen Gestalten. Nach der Versenkung des geheiligten Brotes in den Kelch wird kochendes Wasser (Zeon), das in diesem Moment herbeigebracht wird, vom Priester gesegnet und vom Diakon mit den Worten "Glut des Glaubens, Fülle des Heiligen Geistes. Amen" in den Kelch gegossen. Dadurch wird nochmals in einem eindrucksvollen Symbol an den glühenden Glauben, der ein Geschenk des lebendigen Heiligen Geistes ist, erinnert.

 

9. Die heilige Kommunion

 

1. Kommunion der Liturgen

 

Die Kommunion wird zuerst vom Priester und vom Diakon empfangen. Beide kommunizieren erst das heilige Brot und dann den heiligen Kelch mit entsprechenden Gebeten.

 

2. Kommunion der Gläubigen

 

Mit dem Ruf: "Nahet euch mit Gottesfurcht, Glauben und Liebe!" eröffnet der Priester die Kommunion der Gläubigen. Die Gläubigen kommunizieren vor der Mitteltür des Ikonostas die im Kelch des Heiles vermischten allheiligen Gestalten: Teile des in den heiligen Kelch getauchten konsekrierten heiligen Brotes, die ihnen vom Priester mit einem kleinen Löffel in den Mund gelegt werden. Währenddessen singt die Gemeinde den Kommunionvers: "Christi Leib empfanget, trinket den Quell der Unsterblichkeit. Alleluija."

 

10. Danksagung

 

Anschließend segnet der Priester die Gemeinde, die jetzt durch die Kommunion ein Volk und Erbteil Gottes geworden ist, mit den Worten: "Rette, o Gott, Dein Volk und segne Dein Erbe". Die Gemeinde antwortet: "Wir haben das wahre Licht gesehen, den himmlischen Geist empfangen, rechten Glauben haben wir gefunden, die  unteilbare Dreieinheit beten wir an, denn sie hat uns erlöst."

 

a. Gebet hinter dem Ambo

b. Segen

c. Entlassung

d. Austeilung des gesegneten Brotes (Antidoron)

 

Am Schluss empfangen die Gläubigen vom Priester das Antidoron, das Brot, das von den nicht zur Verwandlung benutzten Teilen der Prosphoren genommen und während der Liturgie gesegnet wurde.  Dies erinnert an den frühchristlichen Brauch des Agape, einer gemeinsamen Mahles der Gläubigen nach der Heilihen Liturgie als Zeichen für die brüderliche Gemeinschaft der Gläubigen. Während zum Empfang der heiligen Kommunion nur orthodoxe Christen eingeladen sind, sind zum Empfang des Antidorons alle Getauften eingeladen.

 

11. Schluss

 

Gebete nach dem Empfang der heiligen Kommunion

Ablegen der liturgischen Gewänder

 

 

Die Göttliche Liturgie

 

Gemeinde-Katechese am 11.09.2016

 

 

Die göttliche Liturgie in ihrer Gesamtheit 

 

• eine Darstellung des Lebens Jesu

 

   Dabei ist die Liturgie der Katechumenen 

 

• eine Darstellung des erste öffentliche Erscheinen Christi auf Erden 

• und der Verkündigung Seines Evangeliums

 

Die Liturgie beginnt mit den Worten: 

 

• »Gesegnet das Königtum des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.« 

 

• Bei diesen Worten hält der Priester das Evangelienbuch empor und macht damit das Kreuzzeichen über dem Altar.

 

 Betrachtung über die einzelnen Fürbitten der Friedens-Ektenie

 

• In Frieden lasset zum Herrn uns beten“

• „Kyrie eleison. . ."

 

• Die Kirche lehrt mit diesen Worten die Art des christlichen Betens: 

• In Frieden laßt uns bitten. 

 

• Die Voraussetzung für die Feier der Heiligen Liturgie ist der Frieden in den Seelen der Gläubigen. 

 

»Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe.« 

 

Matthäus 5:23-24 

 

• Wenn die Gläubigen in der liturgischen Gemeinschaft mit ihrem Priester in der Heiligen Liturgie das unblutige Opfer darbringen, sollen sie eine Familie sein, die sich in Frieden und Liebe um den Altar Gottes versammelt. 

 

»Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung und alles Böse sei fern von euch. Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat.« 

 

Epheser 4:31

 

• Auf jede Bitte des Priesters antworten die Gläubigen mit »Herr, erbarme Dich.« 

 

• Dies ist das kürzeste Gebet der orthodoxen Kirche 

• vereinigt alle anderen Gebete in sich 

• drückt gleichzeitig die Demut aus, die auch der Zöllner bei seinem Gebet im Tempel (Lukas 18:13) empfand.

  

• »Um den Frieden von oben und das Heil unserer Seelen lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Nachdem die erste Bitte die Art des Gebetes betraf, lehrt die Kirche mit der zweiten Bitte, worum der Mensch Gott zuerst bitten soll: den Frieden Gottes und die Rettung der Seele.

 

Christus selbst lehrte: 

 

»Euch aber muß es zuerst um sein (=Gottes) Königtum und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben.« 

 

Matthäus 6, 33 

 

• Die liturgische Versammlung (das bedeutet das griechische Wort „Ekklesia“ = Kirche) erbittet den Frieden von Gott, weil nur er ihn schenken kann. 

 

• Es ist der Frieden, den Jesus Christus seinen Jüngern gegeben hat: 

 

»Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch.« 

 

Johannes 14:27

 

• Zu Beginn der Heiligen Liturgie bitten die Gläubigen um den Frieden der Seele und suchen damit in Wirklichkeit Christus, wie der Heilige Basilius sagt: »Derjenige, der Frieden sucht, sucht Christus, denn ER ist der Friede.«

 

• Die zweite Bitte gilt dem Frieden Gottes.

 

• Derjenige, der das Geschenk des Friedens erhalten hat, erbittet diese Gabe von Gott auch für alle anderen Menschen. 

 

• Der von Gott geschenkte Friede in der Welt bringt auch die Standfestigkeit der heiligen Kirchen und die Einheit (=Sobornost) aller Rechtgläubigen mit sich. 

 

• Die Kraft des Friedens betont auch der heilige Apostel Paulus: 

 

»...und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält.«    

             

Epheser 4:3

 

• »Diese Einheit des Geistes kann es nicht geben bei Zwietracht und Feindschaft«, erklärt der heilige Johannes Chrysostomus. 

 

• Einheit bedeutet nicht nur Frieden und Liebe, sondern die Vereinigung der Gläubigen zu einem einzigen pneumatischen Leib:

 

 »Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist.« 

 

Epheser 4:4

 

• Der Friede vereint die Gläubigen untereinander, aber auch mit Gott. 

• »Der Frieden ist die Kirche Christi«, heißt es in den Anordnungen der heiligen Apostel (Traditio Apostolica).

 

• »Für dieses heilige Haus und alle, die mit Glauben, Frömmigkeit und Gottesfurcht darin eintreten lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Christus Selbst forderte zum Gebet der Versammlung in der Kirche auf: 

 

»Alles was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.«  

          

Matthäus 18: 19-20 

 

• Der heilige Johannes Chrysostomus nennt die Kirche »Paradies der Gegenwart des Herrn«. 

 

•   Es ist wichtig das folgende Mysterium geistlich zu erfassen:

 

• Im Kirchengebäude ist die Kirche (= Versammlung der Gläubigen)

• in der Kirche (Versammlung der himmlischen und irdischen Kirche) ist die Heilige Liturgie

• in der Heiligen Liturgie ist Gott

 

• Der heilige Ignatius der Gottesträger schreibt in seinem Brief an die Epheser, daß die Gläubigen »Steine des väterlichen Tempels sind, bereitet für das Gebäude, das Gott der Vater baut.« 

 

• In der Kirche erhalten die Gläubigen die Gaben des Heiligen Geistes und werden zu lebendigen vom heiligen Geist erfüllten Steinen, gleichsam dem  „Material“, aus dem die Kirche entsteht. 

 

• Der heilige Johannes Chrysostomus sagt: »Die Kirche ist nichts anderes als ein aus unseren Seelen gebautes Haus.«

 

• Durch dem Empfang der Göttlichen Kommunion wird der Mensch ganz zum »christustragenden Tempel«: 

 

»Wisst ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?« 

 

1. Korinther 3:16

 

• »Für die frommen und rechtgläubigen Christen lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Dies ist ein Gebet für die orthodoxen Christen, die sich mit Glauben, Ehrerbietung und Gottesfurcht in ihrer Kirche versammeln. 

 

• In der Orthodoxie gibt es keine Frömmigkeit außerhalb der Kirche und des liturgischen Lebens. 

 

• Die Dogmen der Kirche (= der Orthoxe Glaube) sind für die Gläubigen keine theologische Theorie, sondern werden in der kirchlichen Gemeinschaft und in den heiligen Mysterien (Sakramenten) erfahren und erlebt. 

 

• Die Beteiligung des gläubigen Volkes am Gottesdienst ist eine Voraussetzung für das liturgische Leben überhaupt. Die Frömmigkeit des orthodoxen Gläubigen ist lebendig und praktisch und wird in der kirchlichen Versammlung durch die Darbringung von Opfergaben, durch Psalmen- und Hymnengesang und durch die Verehrung der Heiligen und der Ikonen offenbar.

 

• »Für unseren hochgeweihten Bischof, die ehrwürdige Priesterschaft, das Diakonat in Christus, den ganzen geistlichen Stand und das gläubige Volk lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Bei der Feier des ersten Göttlichen Liturgie war Christus selbst der Zelebrant. Nach Seiner Himmelfahrt hatten die heiligen Apostel Seinen Sitz in der eucharistischen Versammlung und in deren Nachfolge die Bischöfe, die von ihnen geweiht wurden. Dann gab es mit der Zeit immer mehr örtliche Kirchen, deshalb gaben die Bischöfe den Priestern die Aufgabe, die Heilige Liturgie zu feiern. 

 

• Der Bischof ist ein Abgesandter Christi, eine Ikone Christi, der Nachfolger der Apostel

• Die Priester wiederum sind Abgesandte des Bischofs

• Der Bischof überträgt die priesterliche Würde auf die Priester und Diakone und gibt ihnen die Vollmacht:

 

Die priesterliche Vollmacht

 

• das Wort Gottes zu predigen

• die Göttliche Liturgie zu feiern 

• die anderen Sakramente (Mysterien) der Kirche zu vollziehen.

 

• Jeder Priester zelebriert die Göttliche Liturgie und die anderen Mysterien »im Namen« des Bischofs und gedenkt deshalb seines Namens. 

 

• Die Apostel und ihre Nachfolger, Bischöfe, Priester und Diakone, schöpfen die Kraft ihres Priestertums aus einzigen Quelle in der Kirche, Jesus Christus. 

 

• Der Herr Selbst sagte zu den heiligen Aposteln: 

 

»Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab.« 

 

Lukas 10:16

 

• In den Anordnungen der heiligen Apostel (Traditio Apostolica) wird gesagt: 

 

        Der Bischof ist

 

• Diener des Gottesvolkes

• Wächter der Kenntnis

• Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen

• Lehrer der Frömmigkeit. 

 

• Der Bischof steht zwischen den Gläubigen und Gott

• bringt den himmlischen Segen zu ihnen herab 

• und ihre Bitten zu Gott hinauf

 

• Er ist Diener nicht nur für das heiligen Mysteriums der Eucharistie, sondern auch für alle anderen Sakramente (Mysterien). 

 

 

• Den Dienst des Priestertums lehrte Christus nicht nur mit Worten, sondern sogar mit seinem Beispiel. 

 

• Am Abend des Abendmahls wusch ER Seinen Jüngern die Füße und sagte zu ihnen: 

 

»Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.«

 

Johannes 13:15-17

 

• »Für diese Stadt, jede Stadt, alles Land und die Gläubigen, die darin leben, lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Die Liebe Gottes ist allumfassend. Sie umfaßt alle Menschen an allen Orten zu allen Zeiten. 

• Diese Liebe ahmt die Kirche nach und fordert die Gläubigen auf, sie auch zu erreichen. 

• Der Mensch ist nicht allein und unabhängig. Er ist eingebunden in die Gemeinschaft und hat das Bedürfnis, mit anderen zusammenzuleben. 

• Deswegen baut er Dörfer und Städte.

• Die Gläubigen beten für das Dorf oder die Stadt, in der sie leben, aber auch alle anderen Menschen und die ganze Welt sollen in das Gebet eingeschlossen werden.

 

• »Um günstige Witterung, reichen Ertrag der Früchte der Erde und um friedliche Zeiten lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Die sichtbare Welt wurde von Gott als Königreich des Menschen geschaffen.

• In der Orthodoxie unterscheiden wir nicht zwischen natürlich und übernatürlich wie in der abendländischen Denktradition sondern zwischen geschaffen (geistige und materielle Schöpfung) und ungeschaffen (Gottes Wesen und seine Ungeschaffenen Energien).

 

• Innerhalb der geschaffenen Wirklichkeit

• Hat der Mensch Anteil sowohl an der geistigen Welt der Engel als auch an der materiellen Schöpfung (belebte und unbelebte Natur).

• Damit steht der Mensch zwischen Gott und der Welt, als »König der Dinge auf der Erde, regiert von oben«, wie der Heilige Gregorius, der Theologe, schreibt. 

 

• Er bekommt die Erde als Segen von Gott und bringt sie ihm wieder dar als Danksagung und Opfergabe.

• Der Mensch ist König und Priester der Welt Gottes. Aber die Symphonia, die Einheit des Menschen mit Gott und Seiner Schöpfung wurde im Sündenfall der Menschen zerstört: Der Mensch hörte auf, König der Welt und Priester Gottes zu sein und unterwirft sich 

• der Vergänglichkeit und dem Tod.

 

• Mit der Menschwerdung Christi wird der Mensch wieder König der Welt und Priester Gottes. 

• Das ist aber nicht nur die Rückkehr zum vorherigen Zustand, sondern viel mehr: der Aufstieg zu dem Ort, »wo Christus zur Rechten Gottes sitzt«  Kolosser 3:1

 

• Christus vereint »alles, was im Himmel und auf Erden ist«.  Epheser 1:10 

• Mit der Ankunft Christi kommt der Frieden Gottes zurück zur Erde.

 

• »Für die Reisenden zu Wasser, zu Lande und in der Luft, für die Kranken, Notleidenden und Gefangenen und um ihre Errettung lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Dieses Gebet wird für diejenigen gebetet, die aus berechtigtem Gründen in der Heiligen Liturgie fehlen. Die Gläubigen beten für alle, die mit ihnen zusammensein wollen, es aber in diesem Augenblick nicht können. 

 

• Sie bitten, daß Gott diese Menschen beschützt

 

• Der Zusatz »und um ihre Errettung« bedeutet hierbei nicht nur, daß sie, wenn sie unterwegs sind, gesund zurückkehren

 

• und daß die Kranken geheilt werden

• sondern daß sie die Vergebung der Sünden und das ewige Leben erhalten.

 

• Die Gläubigen handeln nach dem Gebot Christi:

 

»Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.«

Matthäus 25, 40

 

• Wenn sie ihre Liebe den Notleidenden geben, fühlen sie dabei, daß sie sie Christus geben. 

 

• Denn die Einladung Christi:

 

»Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen«      

 

Matthäus 11:28

 

• ist eine Einladung 

• zu Seinem Allheiligen eucharistischen Abendmahl.

• Und alle Leidenden und Ermüdeten, die Seiner Einladung folgen, erleben die Ruhe Seiner Gegenwart. 

 

• »Daß wir erlöst werden von aller Bedrängnis, Zorn, Gefahr und Not, lasset zum Herrn uns beten.« 

 

• Deshalb haben die Heiligen den Kummer in ihrem Leben als göttliches Heilmittel ertragen. Der Heilige Isaak nennt Schmerz und Kummer die »Basis der Tugend«.

• So schreibt auch der heilige Apostel Paulus:

 

»... wir rühmen uns auch der Bedrängnis; denn wir wissen, daß Bedrängnis Geduld bringt.« 

 

Römer 5:3 

• Die Heiligen wissen, daß es keinen Menschen gibt, der den Weg der Tugend gehen kann ohne Bedrängung, Schmerz und Versuchung: 

 

»Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Schmerz, später aber schenkt sie denen, die durch diese Schule gegangen sind, als Frucht den Frieden und die Gerechtigkeit.« 

 

Hebräer 12: 11

 

• Deshalb nahmen die Heiligen den Kummer mit Freude an: 

 

»Glücklich ist der Mann, der in den Versuchungen standhält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben.« 

 

Jakobus 1:12

 

»Durch viele Drangsale müssen wir in das Königtum Gottes gelangen.« 

 

Apostelgeschichte 14:22

 

• Die Heiligen wissen, daß es keinen Menschen gibt, der den Weg der Tugend gehen kann ohne Bedrängung, Schmerz und Versuchung: 

 

»Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Schmerz, später aber schenkt sie denen, die durch diese Schule gegangen sind, als Frucht den Frieden und die Gerechtigkeit.« 

 

Hebräer 12:11

 

• Deshalb nahmen die Heiligen den Kummer mit Freude an: 

 

»Glücklich ist der Mann, der in den Versuchungen standhält. Denn wenn er sich bewährt, wird er den Kranz des Lebens erhalten, der denen verheißen ist, die Gott lieben.« 

 

Jakobus 1:12

 

»Durch viele Drangsale müssen wir in das Königtum Gottes gelangen.« 

 

Apostelgeschichte 14:22

 

• Mit diesem Gebet bitten die Gläubigen Gott um Kraft, um Kummer und Not in ihrem Leben aushalten zu können. 

 

• Christus sagte zu seinen Jüngern nach dem Abendmahl: 

 

»In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber ... ich habe die Welt besiegt.« 

 

Johannes 16:33

 

• » Stehe uns bei, errette, erbarme Dich und bewahre uns, o Gott, durch Deine Gnade. «

 

• Alles bisher Erbetene kommt nicht aus uns selbst, sondern es ist Gnade und rettendes und bewahrendes Handeln Gottes an uns. 

 

• Und der Mensch kann das ihm von Gott geschenkte Leben nicht »wie einen Raub« für sich behalten

 

• sondern wird sich und sein Leben, wie es in der Göttlichen Liturgie heißt, immer wieder neu seinem Herrn und Schöpfer »überliefern«

 

• um Ihm in allem zu dienen.

 

• Dies kommt in einem  Abschluß des Fürbittengebetes zum Ausdruck:

 

• » Unserer allheiligen, allreinen, hochgelobten und ruhmreichen Herrin, der Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria, mit allen Heiligen gedenkend, wollen wir

• uns selbst 

• und einander 

• und unser ganzes Leben 

• Christus, unserem Gott, überliefern. « 

 

 

Grundzüge der geschichtlichen Entwicklung der Göttlichen Liturgie

 

 

Das Sakrament der heiligen Eucharistie (slawisch: таинство святой евхаристии) oder auch das heilige Abendmahl genannt wurde von Christus Selbst bei Seinem letzten heiligen Abendmahl am Großen und Heiligen Donnerstag (Gründonnerstag) eingesetzt, als Er Brot und Wein in Seinen kostbaren Leib und Sein Allheiliges Blut verwandelte. Er ließ Seine Jünger daran teilhaben und sie dadurch in die heilige Kommunion, die geistliche sakramentale Gemeinschaft mit Ihm Selbst zu treten. Auch forderte der Herr Selbst Seine heiligen Jünger und Apostel auf, dieses große und heilige Mysterion zu Seinem Gedächtnis für alle Zukunft bis zu Seiner Wiederkunft in Herrlichkeit zu feiern.

 

Deshalb versammelten sich die heiligen Apostel und Jünger auch nach Seinem Kreuzestod und Seiner Auferstehung am ersten Tag der Woche, dem Sonntag, an dem Christus glorreich von den Toten auferstand, um im »Brotbrechen« den Auftrag des Herrn zu erfüllen und Seine Heiltaten zu feiern und zu verkünden.

 

Schon zu den Lebzeiten der heiligen Apostel wurde der Kern der Göttlichen Liturgie, die Anaphora (griechisch: Η Αγία Αναφορά), in ihren Grundzügen festgelegt. Sie gehört zur Heiligen Apostolischen Tradition und wird seitdem in der orthodoxen Kirche treu und unverändert bewahrt.

 

Ursprünglich war die Anaphora, die Feier der heiligen Eucharistie ein Mahl, das durch Lesungen aus der Heiligen Schrift und Singen von Psalmen, durch Predigt der heiligen Apostel oder der von ihnen in den Ortsgemeinden eingesetzten Bischöfe und Gebete begleitet wurde. Manchmal dauerte diese Feier die ganze Nacht. Parallel zur Ausbreitung der christlichen Kirche wandelte sich die Feier der heiligen Eucharistie dann aus einer abendlichen und ganznächtlichen Mahlfeier zu den Frühformen unseres heutigen orthodoxen Gottesdienstes.

 

Bereits zur Zeit des heiligen Apostels Jakobus des Herrenbruders, der der erste Bischof in Jerusalem war, entstand die erste liturgische Ordnung für die Feier der Göttlichen Liturgie, die Jakobusliturgie. Sie wurde von den heiligen Aposteln in Jerusalem und im übrigen Heiligen Land, jedoch bereits auch in Antiochia, wo sich die erste große Christengemeinde außerhalb Palästinas bildete, gefeiert. Dort hat sie auch der heilige Johannes Chrysostomos gefeiert und später zum Vorbild seiner liturgischen Ordnung in Konstantinopel gemacht. Diese apostolische liturgische Ordnung wurde vom heiligen Apostel Petrus von Antiochien aus nach Rom gebracht, wo aus ihr unter dem heiligen Clemens und dem heiligen Gregor Dialogos (von dem auch die liturgische Ordnung der Liturgie der vorgeweihten Gaben stammt) die altrömische liturgische Ordnung entstand. Der Schüler des heiligen Apostels Petrus, der heilige Evangelist Markus, brachte die apostolische liturgische Ordnung nach Alexandrien in Ägypten, wo daraus die alexandrinische Ordnung der Markusliturgie entstand. Der heilige Apostel Paulus trug nach dem Zeugnis seiner Briefe (vgl. 1. Korinther 11: 23) die apostolische Ordnung der Anaphora, die er bei seinen Besuchen  bei den übrigen Aposteln in Jerusalem kennengelernt hatte, zu den Gemeinden, die er später in ganz Kleinasien und Griechenland gründete. Aus ihnen entstanden dann die liturgisch Ordnung in Kappadokien, die uns der heilige Basilius der Große in seiner Basilius-Liturgie überliefert hat. Die kappadokische liturgische Ordnung gelangte auch mit der Annahme des Christentums nach Armenien, woraus im Laufe der kommenden Jahrhunderte die heutige armenische Liturgie entstand.

 

Von Alexandrien aus gelangte die apostolische liturgische Tradition, wie sie der heiligen Evangelisten Markus dort eingeführt hatte, zusammen mit dem christlichen Glauben nach Äthiopien, woraus sich im Laufe der kommenden Zeit die Liturgie der äthiopischen und eretreaischen  Kirche entwickelte. Mit dem heiligen Aposteln Judas Thaddäus und Bartholomäus und ihren Gefährten gelangte die apostolische liturgische Ordnung aus Antiochien kommend nach Mesopotamien im heutigen Irak und von dort aus mit der Mission des heiligen Apostels Thomas zu den indischen Christen an der Keralaküste.

 

Der Grundaufbau der Anaphora, der apostolische Kern der liturgischen Ordnung, ist in all diesen altkirchlichen liturgischen Ordnungen gleich.

 

In der Zeit zwischen dem 3. und dem 9. Jahrhundert wurde diesem apostolischen liturgischen Kern der Eucharistiefeier in den einzelnen Kirchen jedoch weitere Elemente hinzugefügt, die jedoch die apostolische Grundstruktur nicht veränderten, sondern nur zur Förderung der Frömmigkeit der Gläubigen sinnvoll ergänzten. In der Zeit zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert entschlossen sich jedoch die orthodoxen Christen in den übrigen altkirchlichen Patriarchaten die Ordnung der Kirche von Konstantinopel zu übernehmen, so dass heute alle orthodoxen Kirchen dieser liturgischen Ordnung, die sich vor allem aus dem Gottesdienst an der Hagia Sophia in Konstantinopel entwickelte, folgen.

 

In der heutigen liturgischen Praxis der orthodoxen Kirchen kann die heilige Eucharistie, »Göttliche Liturgie« genannt, mit Ausnahme der Wochentage während der großen Fastenzeit täglich gefeiert werden. Hierfür werden in der modernen Praxis zwei eucharistische Gottesdienstordnungen verwendet: Die Liturgie unseres Vaters unter den Heiligen Basilius des Großen und die Liturgie unseres Vaters unter den Heiligen Johannes Chrysostomos.

 

Bei der »Liturgie« der Vorgeweihten Gaben unseres Vaters unter den Heiligen Gregor Dialogos, des Erzbischofs und Papstes von Alt-Rom handelt es sich nicht um eine Eucharistiefeier, sondern um eine, mit der Ordnung einer Kathedralvesper verbundene, Kommunionfeier. Die  Liturgie der Vorgeweihten Gaben besitzt deshalb werden Darbringung (Anaphora) noch Wandlung (Epiklese). Die vorgeheiligten Gaben entstammen bereits der Liturgiefeier des vorangegangen Sonntag und werden in diesem abendlichen Gottesdienst nur den Kommunikanten gespendet. Die Feier der Liturgie der vorgeweihten Gaben ist auf die Wochentage (in der Regel Mittwoch und Freitag) in der Zeit der Großen Fasten begrenzt, wenn wegen des Bußcharakters keine Göttliche Liturgie gefeiert werden kann. Sie soll in dieser Zeit den Gläubigen den Empfang der heiligen Kommunion ermöglichen, damit sie in ihren geistlich-asketischen Bemühungen gestärkt und unterstützt werden.

 

Die beiden Liturgieformulare des heiligen Basilius des Großen und des heiligen Johannes Chrysostomos unterscheiden sich nicht in ihrer liturgischen Struktur, sondern nur in den priesterlichen Gebeten, vor allem den Darbringungsgebeten der Anaphora. Die Formulierungen dieser Gebete sind in der Ordnung des heiligen Basilius des Großen ausführlicher, so dass die Feier der Basiliusliturgie mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Feier der Chrysostomusliturgie. Zur Zeit des heiligen Johannes Chrysostomus dauerte die Feier der Jakobusliturgie etwa 5 Stunden. Einige kirchliche Autoren überliefern uns deshalb, dass die Liturgie des heiligen Basilius eine Verkürzung der Jakobusliturgie und die Liturgie des heiligen Johannes Chrysotomos wiederum eine Verkürzung der Basiliusliturgie darstellt, um dem schwindenden geistlichen Vermögen und der abnehmenden Frömmigkeit der Gläubigen nach dem Ende der Christenverfolgungen Rechnung zu tragen.

 

Die Liturgie des Heiligen Basilius des Großen wird zehn Mal im Jahr gefeiert, hauptsächlich zu den großen Festen oder am Vorabend dieser Feste. Die Liturgie des Heiligen Johannes Chrysostomos wird an allen übrigen Tagen des Jahres, mit Ausnahme der Wochentage der großen Fastenzeit, gefeiert.

 

 

 

Betrachtungen über die Göttliche Liturgie

 

Vater Sergej Bulgakov

 

In der Liturgie wird das Opfer Christi am Kreuz dargebracht: „Tut dies zu Meinem Gedächtnis“Es handelt sich nicht nur um das menschliche Gedenken daran, sondern es setzt sich selbst geheimnisvoll bei der Darbringung durch die Hände des Priesters fort, der darin selbst „einen Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedek“ sieht, eben unseren Herrn Jesus Christus. Der Herr ist der „Darbringende und der Dargebrachte“ – wie es in einem stillen Gebet während des Cherubim-Gesangs heißt.

 

Die Liebe Gottes zur Welt und dem Menschen, die sich in der Inkarnation offenbart, zeigt sich der Welt auch jetzt noch in diesem universalen für alle Menschen und das ganze menschliche Sein dargebrachten Opfer. Es ist zugleich ein Opfer Seiner Liebe an den Vater im ewigen Leben der heiligen Dreieinheit, als auch ein Opfer des Menschensohnes im Angesicht der Menschheit und aller Kreatur. In diesem Sinne bringen wir es mit Christus in Seinem Gott-Mensch-Sein Gott dar. Wir haben die Fülle dieser Wahrheit in unser schwaches und begrenztes Bewußtsein zu fassen.

 

 

Können wir denn von der universalen Kraft dieses Opfers reden, wenn es, nach Zeit und Raum begrenzt, von den Gliedern der Kirche erlebt wird, die ja nur einen kleinen Teil der ganzen Menschheit darstellen? Gehört denn Christus dieser ganze andere Teil, oder bleibt Er ihm fremd, der nichts von Ihm weiß oder Ihn ablehnt? Rein äußerlich könnte es auch so scheinen, dass diese Menschheit nicht Christi eigen ist, sondern sich selbst ge- hören will und sich damit in die innerlich zwar ausgehöhlte, aber doch noch fortwirkende Macht des Fürsten dieser Welt begibt. Doch trotz diesem falschen Anschein bleibt sie in ihrem Wesen und Schicksal eins. Sie ist unauflöslich von Christus in Seinem Gott-Menschtum aufgenommen. Für uns ist es noch verborgen und bis ins Letzte hinein verhüllt, wie und wann diese Einheit des Menschengeschlechtes offenbart und sich realisieren wird, das Opfer wird jetzt nur von Christen innerhalb der Kirche dargebracht. Seine Kraft und Wirksamkeit erstreckt sich jedoch auf die ganze Menschheit, die in ihrer vielgestaltigen Einheit im Jüngsten Gericht auftreten wird. Und wie sie sich in der Erbschuld Adams ganz eint, so wird ihr in der Inkarnation die Erlösung zuteil, und zwar in ihrer ganzen Vielfalt. Das ist die frohe Zuversicht und Hoffnung unseres Glaubens.

 

 

Daneben gibt es noch eine andere lichte Seite. Gemeinsam mit Christus nehmen auch wir an diesem Opfer teil. Mit Ihm bringen wir es dar als einen „geistigen und unblutigen Dienst“. Zugleich drückt sich darin betend unsere Liebe zu Gott und zu dem Menschen aus. Es ist Lob und Dank an Gott, vereint mit dem Opfer für unser menschliches Leben. Gewiss übersteigt das Gebet für die Welt und die ganze Menschheit, wie es Christus in der Dunkelheit des Gartens von Gethsemane gesprochen hat, unsere Kräfte. Unser Herz ist begrenzt wie unser Bewusstsein. Es fasst kaum das fürbittende Gedenken für jene wenigen, die unserer fürbittenden Liebe und Fürsorge empfohlen sind. Für sie beten wir mit Gebet und Flehen und werden dabei nicht nur unserer Beschränktheit, sondern auch der ganzen Einmaligkeit in ihrer Bedeutung bewusst. Wir bringen es Christus selbst dar, Der es uns in Seinen heiligen Gaben reicht. Und dieses Gebet ist, wie wir es aus Erfahrung wissen, ein besonderes Feuer, das Christus auf die Erde gebracht und in unseren Herzen entzündet hat. 

 

 

Das Bedürfnis nach Versiegelung unserer Liebe im Gebet bekundet sich äußerlich in der namentlichen Nennung der Lebenden wie Toten, der ein besonderer Platz in der Proskomedie eingeräumt wird. Auf diese Weise verbindet sich in der bebenden Erinnerung des betenden Herzens unser ganzes Leben in aller Vielfalt seiner Bedürfnisse und Ereignisse zu einer gewissen Einheit. Natürlich müssen wir dabei unterscheiden, worum zu beten angebracht und würdig ist, um nicht den Heiden zu gleichen, die viele Worte machen (vgl. Matthäus 6: 7). Durch unser Gebet geben wir unserer Liebe Nahrung. Betet für die Nahen und die Fernen, für die Liebenden und Streitenden, denn also wird das geheimnisvolle Gewebe gegenseitiger Liebe vor dem Angesicht des Herrn gewirkt. Unsere Liebe mündet in die Liebe unseres Herrn zu uns, Der um unseretwillen, den Menschen zu gute, vom Himmel kam und Sich durch den Heiligen Geist inkarniert hat. Amen.

 

 

Die Göttlichen Liturgie als Ikone des Heils

 

Thomas Zmija

 

Zum orthodoxen Gottesdienst gehört nicht nur das, was gesprochen, gesungen oder von den Zelebranten getan wird, sondern ebenso der Raum, die Gesten, Bewegungen und die Körperhaltung der Gläubigen. Der Mensch wird als geistig-seelisch-leibliche Ganzheit ernst genommen, angesprochen und mit hinein genommen in die Verwandlung zu einem neuen Sein. Das bedingt, dass er mit Geist, Seele und Leib einstimmt in das gottesdienstliche Geschehen. Der leibliche Mitvollzug wird in der orthodoxen Spiritualität sehr ernst genommen. Die Orthodoxie ist keine intellektualistische Kopfreligion; sie führt in ihrem Gottesdienst vermittels der Ansprache aller Sinne Geist und Seele zu der Einheit zusammen, den die Heiligen Väter den νοῦς nennen.

 

Deshalb ist im orthodoxen Gottesdienst das, was wir unser Gebet begleitend tun; also die äußere Haltung, ein Abbild, eine Ikone unserer inneren Haltung. Dabei geht es nicht um formale Richtigkeit, sondern vielmehr um Ausdruck und Zeichen der κοινωνία, um ein Zum-Gebet-Werden des gesamten, versammelten Volkes Gottes, zum Lobpreis- und zur Anbetung- Werden der ganzen Gemeinde. Diese erfordert Einmütigkeit, aber keinesfalls Drill und Uniformität, sondern vielmehr Gelöstheit und Gelassenheit, wie es der freudigen Festlichkeit der liturgischen Feier entspricht. Dabei gibt es in den meisten Fällen nicht nur eine praktikable Tradition, sondern eine Mehrzahl verschiedener Spielarten, wie es dem Geist unserer orthodoxen Kirche entspricht.

 

Nach orthodoxen Verständnis kann die Kirchenmusik im Gottesdienst nie für sich allein stehen. Priester, Diakon und Volk bilden einen einzigen, vom Wirken des heiligen Geistes erfüllten Leib des Gebetes; jedoch mit je eigener gestufter Aufgabe. In dieser erforderlichen aktiven Teilnahme aller liegt begründet, dass im liturgischen Vollzug immer die Sprache als das Medium des Gebetes im Mittelpunkt steht und der Gebrauch von Instrumenten unnötig ist. Nach dem Vorbild der Apokalypse gibt es nur den Gesang der Engel vor dem Altar Gottes, als einzige Stimme des Gott gebührenden Lobpreises. Dahinter steht die Überzeugung, dass allein die menschliche Stimme in der Lage ist, Gottes Wort adäquat zum Ausdruck zu bringen. Musik ist nach diesem Verständnis feierliche Aussprache des geheiligten Textes. Einziges Medium ist die menschliche Stimme, denn nur sie kann loben, beten und verkündigen. Jedes gesprochene Wort ist somit bereits Musik. Durch das musikalische Gewand spricht das Wort in einer anderen Weise. Durch den Gesang, diese intensive Steigerung des Körpers als Resonanzraum und tönendes Instrument, gewinnt das Gebet an Ausdruckskraft. Die menschliche Stimme allein ist in der Lage, die Einwirkung des Heiligen Geistes auf die feiernde Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Singen heißt doppelt beten, wie das russische Sprichwort sagt. Die orthodoxe Sakralmusik basiert, wie im Westen, auf acht Kirchentonarten, die allerdings völlig anders strukturiert sind.

 

Denn die byzantinische Musiktheorie teilt die Oktave in 68 Teile; wobei ein Ganzton zwölf, ein ¾ Ton neun und ein Halbton sieben Teile aufweist. Sie hat also mehr Zwischentöne und kennt Verschleifungen, die unserem abendländischen Hörempfinden eher fremd erscheinen. Ältestes System der orthodoxen Kirchenmusik ist der neumatische Choral, dessen Notation in Neumen seit dem 11. Jahrhundert bekannt ist. Im frühen 19. Jahrhundert wurde eine neue Notation eingeführt, welche auch die Tondauern anzeigen kann. Die ursprüngliche Einstimmigkeit des kirchlichen Gesangs wird von mindestens einem Grundton (Ison) getragen. Die hohen Anforderungen dieser Gesangsweise haben dazu geführt, dass die meisten byzantinischen Gesänge von ausgebildeten Kantoren und Chören übernommen werden und die Gemeinde nur die allseits bekannten Kerngesänge spontan mitsingt.

 

Die Mehrstimmigkeit ist – außer in Georgien, wo sie bereits im 10. Jahrhundert zu finden ist – eine eher spätere Entwicklung in der orthodoxen Kirchenmusik. Sie fasste vor allem im ukrainischen, weißrussischen und russischen Bereich seit dem 17. Jahrhundert Fuß. Vom 18. Jahrhundert an kommen weitere Einflüsse italienischer und deutscher Kirchenmusik hinzu. Die alt-russische, aus der byzantinischen einstimmigen Tradition hervorgegangene, Kirchenmusik hat sich nur bei den Altritualisten und in einzelnen orthodoxen Klöstern erhalten. 

 

Das Kirchengebäude selbst wird in der Orthodoxie  als eine Ikone der Heiligen Kirche Selbst verstanden, als ein Bild des mystischen Leibes Christi, das sinnbildlich und symbolisch das ausdrückt, was unmittelbar nicht darstellbar ist: die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche. So nimmt der kirchliche Raum am liturgischen Geschehen teil, ist Ausdruck dieses Geschehens und nicht nur architektonischen Moden unterworfener Zweckbau. Der Kirchenraum wird zum Ort, an dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vereinen, wo ein Stück des Himmels hier auf Erden aufleuchtet.

 

Die heiligen Ikonen bilden mit den liturgischen Vollzügen und dem Kirchenraum zusammen eine Einheit. Sie bilden den Himmel auf Erden und das gesamte Heilsgeschehen des Evangeliums ab. Der Ikonostas, die Bilderwand mit den drei Türen, bildet eine Schranke der Ehrfurcht zwischen dem Heiligtum und dem Allerheiligsten, zwischen dem Platz des tragenden Gebetes durch das Volk Gottes und dem Platz des liturgischen Vollzuges des sakramentalen liturgischen Geschehens durch den geweihten Priester am Altar. So ist der Ikonostas durch seine liturgische Funktion kein Objekt der Trennung, sondern eines der abbildenden Verbindung. Denn durch die Ikonen auf den Ikonostas wird die Ordnung der Himmel inmitten der versammelten Gemeinde sicht- und erfahrbar. Der Ikonostas erinnert an den Vorhang im Jerusalemer Tempel, der beim Tod Christi zerriss und dessen Türen und Vorhänge aus diesem Grund zu gewissen Teilen des liturgischen Geschehens geöffnet und geschlossen werden (zumindest nach der überlieferten Tradition. Heute bleiben die königlichen Türen und der Vorhang für die gesamte Dauer der Liturgie in den meisten orthodoxen Gemeinden jedoch geöffnet). Der Ikonostas grenzt das Allerheiligste (Altarrraum) vom Heiligtum (Kirchenschiff)  ab, verbindet jedoch auch das Irdische mit dem Überirdischen. Der Ikonostas ist nicht mit einer zufälligen Ansammlung von Ikonen ausgestattet. Das Schema der Ikonostase ist von einem durchgängigen Grundgedanken beseelt: Symbolisch sowohl die Trennung von Zeitlichem und Ewigem, von Irdischem und Himmlischen, als auch die Aufhebung dieser Trennung durch den Gottmenschen Jesus Christus sichtbar zu machen.

 

Die Ikone im engeren Sinn umfasst die Wandmalereien und die kleineren Ikonen. Weil Christus, als Abbild des Vaters, Mensch geworden ist, kann ER, ebenso wie allheilige Gottesgebärerin Maria, die Engel und die Heiligen, auch abgebildet werden. Der Mensch erlebt die Tiefendimension des Kosmos und seiner eigenen Seele nicht im rational-abstrakten Begriff, sondern vorwiegend im Schauen, also als Bild. Selbst unsere menschliche Sprache bedarf andauern des bildhaften Ausdrucks; wir formulieren unsere Gedanken in Metaphern der bildhaften Redeweise, um Tiefe und Dimension gewinnen zu können. Auch unser Herr Jesus Christus verkündete den Großteil Seiner evangelischen Lehre in Gleichnissen. Deshalb offenbart sich Gott, der Allheilige, dem Menschen sowohl in der Ikone des Wortes (Evangelium), als auch in der Ikone des Bildes (Ikone). Das Göttliche Urbild (Christus) wird in seinem Abbild (Seiner Ikone) anschaubar. Der Gläubige kann über die Ikone mit Gott, der allheiligen Gottesgebärerin, den Engel und Heiligen im Gebet kommunizieren. Durch das Abbild wird das Urbild gegenwärtig, ist präsent und für die menschliche Kommunikation im Gebet erreichbar.

 

Die orthodoxe Kirche unterscheidet klar zwischen der Anbetung (λατρεία = Latreia), die nur Gott allein zukommt, und der Verehrung (Proskynesis = προσκύνησις = „Kuss auf etwas zu“), die den heiligen Ikonen entgegen gebracht wird. Die heiligen Ikonen erinnern an die Heilswerke Christi und führen den Menschen vermittels seiner Sinne auf natürliche Weise zur Betrachtung der unsichtbaren Dinge. Die heiligen Ikonen sind Fenster, durch welche die Gläubigen das Reich Gottes schauen kann. Ein wichtiger Ausdruck der Ikonenverehrung ist die Begrüßung der Ikonen, die wir vollziehen, wenn wir eine orthodoxe Kirche betreten. Bei diesem Ritual handelt es sich um zwei kleine Verbeugung (kleine Metanie/Poklon), die von einem Kreuzzeichen begleitet werden. Diesen folgt die Verehrung der Ikone durch einen Kuss. Danach vollziehen wir erneut eine weitere, kleine Verbeugung. Bei dieser Verehrung der Ikonen gilt es jedoch einige traditionelle, ungeschriebene Regeln zu beachten: Wenn wir ein Ikone Christi verehren, so geschieht dies durch Kuss Seiner segnenden Hand oder des Evangelienbuches. Auch die Ikonen der Heiligen verehren wir durch Kuss der Hand. Durch das Verhalten des Judas Iskariot, der Christus durch einen Kuss auf die Wange verriet, sowie der durch traditionell von Ehrfurcht geprägte, kirchliche Umgangsformen mit dem, durch das Abbild seiner Ikone spirituell persönlich anwesenden, Heiligen - oder auch von Christus Selbst - werden die Ikonen entsprechend den Regeln der kirchlichen Tradition niemals durch einen Kuss ins Gesicht des Dargestellten verehrt. Auch beim Grablegungsritus am Karfreitag wird die Ikone des im Grabe liegenden Erlösers durch Kuss auf Seine Füße verehrt. Das Gesicht dieser Ikone (плащаница/Επιτάφιος/Beweinungstuch oder Grabtuch Christi) wird zur Verehrung durch die Gläubigen ebenfalls aus Gründen der Pietät mit einem kleinen Velum (Aer/Kelchdecke) verhüllt. So ist der Kuss die Verehrungsgeste in der christlich orthodoxen Kultur par Excellence. Diese Kultur ist von orientalischen Gewohnheiten geprägt worden, denn der religiöse und kulturelle Entwicklungsraum der Orthodoxie war das anatolische Kleinasien und der Nahe Osten. Deshalb wurde die orthodoxe Kirche auch früher in theologischen Publikationen aus katholischer oder evangelischer Feder als "morgenländisch-anatolische Kirche" bezeichnet. So begleitet in der christlich-orthodoxen Kirche der Kuss als der angemessene Ausdruck unserer Verehrung alle unsere religiösen Vollzüge: Wir verehren die heiligen Ikonen durch Kuss, wir küssen den Fuß des Kelches, wenn wir die heiligen Kommunion empfangen, griechische, rumänische und arabische Gläubige küssen den Saum des priesterlichen Gewandes, wenn er beim gottesdienstlichen Rundgang mit dem Weihrauch an ihnen vorüber geht, die Altardiener küssen die Hand des Priesters, wenn sie ihm das Weihrauchfass reichen und wir alle verehren das Handkreuz sowie die Hand des Priesters durch einen Kuss, wenn wir am Ende der Liturgiefeier das Antidoron empfangen. Auch wenn wir in anderen Situationen den Segen eines Priesters empfangen, küssen wir ihm im Anschluss an das zum Segen über uns geschlagene Zeichen des heiligen Kreuzes die Hand. Deshalb kann man im orthodoxen Kontext durchaus sagen: Etwas zu "verehren", meint gewöhnlich, dass wir uns bekreuzigen und es  küssen.

 

Zum kirchlichen orthodoxen Brauchtum gehört auch das Begrüßungsritual durch den dreimal ausgetauschte Kuss. Vor allem in der Osterzeit prägt er - gerade im kirchlich-russischen Kontext - die Begrüßungssrituale der Menschen. In den Ausdrucksformen des christlichen Brauchtums bilden sich selbstverständlich auch verschiedene Mentalitäten, Kulturen und Traditionen ab. Diese sind bei südost- und osteuropäisch sozialisierten Menschen und den Angehörigen des westlich-nordamerikanischen Kulturkreises verschieden. Dies entscheidet zwar nicht über das "Orthodoxsein" an sich - Konvertiten sollten aus dem Fundus orthodoxen Brauchtums nur das zu übernehmen versuchen, was auch wirklich zu ihrer Mentalität passt - jedoch bleibt festzuhalten, dass das Christentum im spätantik jüdischen und hellenistisch geprägten Kulturraum des Vorderen Orients entstanden ist und nicht im von Distanzen und Distinktion geprägten westeuropäischen oder nordamerikanischen Kontext. "Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe", so fordert uns der heilige Apostel Petrus ganz direkt auf (1. Petrus 5:14).  Deshalb sollte außerhalb der Osterzeit, wo wir uns mit "Christus ist auferstanden" und der Antwort "ER ist wahrhaft auferstanden"  begrüßen, der traditionelle kirchliche Gruß: "Christus ist in unserer Mitte" mit der Antwort:  "ER ist es und ER wird es sein" zum von uns ganz selbstverständlich gepflegten, kirchlichen Brauchtum gehören. Denn dieser Austausch des Friedenskusses ist ein Symbol und Kennzeichen unserer christlich-orthodoxen Einheit.

 

Das Kreuzzeichen ist, wenn nicht Ikone, so doch bildhafte Darstellung des orthodoxen Glaubensbekenntnisses. Sich zu bekreuzigen ist eine Bekräftigung unseres Gebetes durch die aktives Tun. Auch mit unseren Gesten bekennen wir uns zu Gott und verherrlichen IHN. Deshalb bekreuzigen wir uns während der Gebete immer dann, wenn die allheilige Trinität (Dreieinheit) angerufen wird. Wir bezeichnen wir uns mit dem Kreuzzeichen; wenn wir das heilige Kreuz oder eine Ikone verehren und darüber hinaus bei vielen anderen Gelegenheiten im Verlaufe der Göttlichen Liturgie. Wann wir uns über die Anrufung der Allheiligen Dreieinheit hinaus noch bekreuzigen und wie wir das Zeichen des Heiligen Kreuzes machen, ist einerseits abhängig von der kirchlichen Lokaltradition, aus der wir kommen und anderseits der Frömmigkeit und dem seelischen Empfinden des einzelnen Gläubigen überlassen. Hier gibt es im gläubigen Volk zwar viel Gemeinsames, doch es gibt keineswegs einen Zwang zur Uniformität, wie ihn gewisse fundamentalistische  Milieus oder die russischen Alt-Ritualisten einfordern. In der orthodoxen Kirche erwartet man nicht, dass "es" alle in der gleichen Weise tun. Manche bekreuzigen sich dreimal hintereinander, andere berühren am Ende mit ihrer rechten Hand den Boden. Es ist jeder frei, durch seine Gesten - bei aller orthodoxen Gemeinsamkeit - auch seine ganz persönliche Hinwendung zu Gott auszudrücken. Menschen, die sich in der Orthodoxie zu beheimaten beginnen, wünsche ich die Ruhe und persönliche Gelassenheit, mit der Zeit ganz organisch in den rituellen Habitus eines Orthodoxen hinein zu wachsen. Dies wird euch mit der Zeit vertraut werden, mag es euch zunächst verwirrend und wie ein "Geheimzeichen" vorkommen, das ihr noch nicht kennt und daher mit Sicherheit falsch machen werdet. Keine Sorge: keiner ist gezwungen, es  exakt genauso zu machen wie der Bruder oder die Schwester neben einem. Trotzdem gibt es einige Dinge, die alle Orthodoxen beim sich Bezeichnen mit dem heiligen Kreuzzeichen in der gleichen Art machen: Wir schlagen das Kreuz mit der rechten Hand von der Stirne zur Brust und dann - anders  als die Katholiken - von der rechten zur linken Schulter. Dabei drücken wir mit unserer Handhaltung unseren orthodoxen Glauben in bildhafter Weise aus. Deshalb legen wir die Finger unserer rechten Hand in der folgenden, vorgeschriebenen Art und Weise zusammen: Den Daumen und die Fingerspitzen von Zeige- und Mittelfinger legen wir zusammen und die beiden anderen Finger legen wir flach an den Handteller.

 

 

Hier, wie auch bei vielen anderen Gelegenheiten, zeigt sich das orthodoxe Bestreben, bei allem was wir tun unseren christlichen Glauben auch mit Gesten und symbolischem Handeln nachdrücklich zu bekennen. Denn diese Handhaltung ist sowohl ein christologisches wie ein trinitarisches Bekenntnis: Die drei zusammengelegten Finger stehen für unser Bekenntnis zum dreieinigen Gott - dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Die zwei Finger, die die Hand berühren, stehen für die zwei Naturen Christi, Seine vollkommene Göttliche Natur und Seine gleichermaßen Vollkommene Menschliche Natur, die ER bei Seiner  Herabkunft auf die Erde aus der allheiligen Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria angenommen hat. Das Kreuzzeichen, dass wir mit dieser Handhaltung schlagen steht nicht allein für Seinen Tod am Kreuze auf Golgotha, sondern für Sein gesamtes Heilshandeln von der Empfängnis durch die Allheilige Gottesgebärerin bis zu Seiner Glorreichen Himmelfahrt.

 

Der gesamte orthodoxen Gottesdienst selbst, seine Vollzüge im mit den heiligen Ikonen geschmückten Kirchenraum, seine liturgischen Geräte, der Bischof, die Priester, die Diakone und Altardiener in ihren Gewändern, die Sänger und Lektoren auf dem Kliros, welche die kunstvollen, liturgischen Gesänge zum Vortrag bringen und das in der Kirche versammelte Volk Gottes im Gebet leiten, sie alle sind ebenfalls eine Ikone (Abbild) jener himmlischen Liturgie, die Christus Selbst als der wahre und eigentliche Liturg jeder Göttlichen Liturgie dem Himmlischen Vater, umgeben von den heiligen Engeln, der allheiligen Gottesgebärerin, den Aposteln und allen Heiligen darbringt. So ist die gesamte Feier der Göttlichen Liturgie eine Ikone, durch deren abbildende Vollzüge sich das Urbild der Heilsgeschichte und des Heilswirken Christi – von der Ankündigung  Seiner Geburt bis zu Seiner Auferstehung – darstellt und in der Feier der heiligen Eucharistie sakramental vergegenwärtigt. Der irdische Gottesdienst wird dabei Ikone (Abbild) der himmlischen Liturgie, wie es uns in der Offenbarung des heiligen Evangelisten und Apostels Johannes gezeigt wird. Der an der Göttlichen Liturgie teilnehmende Gläubige nimmt über die vergegenwärtigende Symbolgestalt der liturgischen Vollzüge an der Wirklichkeit des Evangeliums, am liturgischen Gegenwärtigwerden der evangelischen Heilstaten Christi teil. Dieses liturgische Gegenwärtigwerden des Evangeliums begründet den hohen Stellenwert für das geistliche Leben, den die orthodoxe Kirche der Teilnahme an der Göttlichen Liturgie beimisst. Es geht also nicht um die Erfüllung einer kirchenrechtlich verordneten "Sonntagspflicht", sondern um die Begegnung mit dem lebendigen Christus, Gott, in Seinem heiligen Sakrament und Evangelium.

 

 

Hinführung zur Göttlichen Liturgie

Eine Handreichung für unsere Gäste

 

von Thomas Zmija

 

 

Recht herzlich begrüßen wir Sie bei uns in der Pfarrkirche. Die Gemeinde freut sich sehr, dass Sie heute mit uns den Gottesdienst feiern werden. Die Orthodoxe Kirche repräsentiert den ältesten Zweig der Christenheit. Ihr Gottesdienst bewahrt bis heute den Geist und die Frömmigkeit der christlichen Antike. Ihnen beim Sehen und Hören mit einer kurzen Erklärung eine Hilfestellung zum Verstehen der orthodoxen Glaubenswelt zu geben, ist die Absicht dieses Textes.

 

Der Sinn und die wichtigste Tätigkeit der Kirche ist die Feier der Göttliche Liturgie (griechisch: Θεία Λειτουργία, kirchenslawisch: Божественная Литургия). Die Liturgie wird – von geringfügigen Details einmal abgesehen – seit gut 1000 Jahren unverändert in allen orthodoxen Landeskirchen – in die der jeweiligen Landesprache (griechisch, kirchenslawisch, rumänisch, georgisch usw., aber auch deutsch, französisch und englisch) gefeiert.

 

Im Mittelpunkt der orthodoxen Frömmigkeit steht die Teilnahme an der Göttlichen Liturgie, einem hauptsächlich gesungenen Gottesdienst, dessen heutige Form größtenteils auf das 4. Jahrhundert zurückgeht. Damals verfassten der heiligen Basilius der Große in Cäsarea in Kappadokien in der heutigen Türkei und der heilige Johannes Chrysostomus in Konstantinopel die vom Priester heute meist leise gesprochenen Gebete der Göttlichen Liturgie. Bis dahin hatten die Zelebranten diese Gebete meist frei formuliert. Seit dieser Zeit fanden die Gebete der Göttlichen Liturgie ihre bis heute verwendete Formulierung. Die Grundstruktur des orthodoxen Gottesdienstes ist jedoch weitaus älter und reicht bis in das 1. und 2. Jahrhundert zurück. Hier ist als unsere Informationsquelle vor allem die Lehre der zwölf Apostel (griechisch Didache ton dodeka apostolon) zu nennen. Das älteste Liturgieformular, nachdem der Gottesdienst in der orthodoxen Kirche gefeiert wird, ist die Jakobusliturgie, die uns Gebete, Frömmigkeit und Aufbau des Gottesdienstes in der Jerusalemer Urgemeinde überliefert. Als ältester, apostolischer Kern der Liturgiefeier kann die Anaphora gelten – das ist der Teil des Gottesdienstes, in dem das heilige Abendmahl gefeiert wird - dessen kurze Wechselgebete zwischen dem Zelebranten und dem Volk uns direkt von den heiligen Apostel überliefert worden sind.

 

Insofern ist nach orthodoxer Überzeugung unsere Art den Gottesdienst zu feiern ebenso geheiligtes Überlieferungsgut wie etwas die heilige Schrift und kann deshalb auch nicht willkürlich verändert oder reformiert werden.

 

Der erste Teil der Göttlichen Liturgie, die „Liturgie der Katechumenen (= die sich auf den Empfang der heiligen Taufe Vorbereitenden)“ mit Lesungen und Gebeten (Ektenien), geht auf den jüdischen Synagogengottesdienst zurück, wie er zur Zeit Jesu Christi gefeiert wurde, während der zweite Teil, die „Liturgie der Gläubigen“ ihren Ursprung in der Abendmahlsfeier der Jerusalemer Urgemeinde, im Griechischen Eucharistia (=Danksagung) genannt, hat.

 

Der orthodoxe Gottesdienst besteht aus drei Teilen, der Proskomidie  (Gabenbereitung), der Katechumenenliturgie oder dem Wortgottesdienst und der Liturgie der Gläubigen (mit Übertragung der Gaben vom Rüsttisch auf den Altar, dem Hochgebet oder auch Anaphora genannt, der Wandlung und der Kommunion), wobei an der Kommunion nur getaufte orthodoxe Christen teilnehmen dürfen.

 

Während der Proskomidie sind die Türen der Altarwand (Ikonostas) geschlossen und der Lektor trägt das Stundengebet vor. Währenddessen beginnt der Priester im Altarraum mit der Bereitung der eucharistischen Opfergaben. Dazu werden aus gesäuerten Weizenbroten kleine Stücke geschnitten zu Ehren Christi (das Heilige Lamm), zum Gedächtnis der Gottesmutter, der Engel und Propheten sowie der anderen Heiligen. Darauf folgt die Darbringung von Brotstücken für die Lebenden und Verstorbenen, derer bei dieser Liturgiefeier gedacht werden soll. Dafür bringen die Gläubigen kleine Opferbrote (Prosphoren) und Gedenklisten zum Altarraum. Denn zu den wichtigsten Aufgaben eine jeden Christen gehört die Fürbitte für seine Mitmenschen vor Gott.

 

 

All diese kleinen Brotstücke werden auf den Diskos (Patene) um das Heilige Lamm gelegt. Dies symbolisiert die gesamte, um Christus als ihr Haupt versammelte, Eine, Heilige, Katholische (das griechisch Wort bedeutet in etwa weltumspannend) und Apostolische Kirche, die aus den Engel und Heiligen, den bereits vollendeten Gläubigen und den Lebenden besteht.

 

In der Göttlichen Liturgie werden Brot und der Wein zusammen mit unseren Lob- und Bittgebeten Gott zum Opfer dargebracht. Diese Gaben werden dann während eines besonderen Gebetes an den Heiligen Geist (Epiklese) in der Abendmahlsfeier in den wahren Leib und das kostbare Blut Christi verwandelt. (vgl.: Lk 9,28–36; der griechische Originaltext des Evangeliums benutzt hier den Begriff Metamorphosis = Verwandlung, um die Selbstoffenbarung Christi als Sohn Gottes auf dem Berg Tabor zu beschreiben und nicht den bedeutungsschwächeren, deutschen Begriff der Verklärung (= etwas erscheint so wie)).

 

In der Feier des Sakramentes, das in der Orthodoxie stets als ein Geheimnis des Glaubens, das ich zwar anbetend betrachten, jedoch nie letztendlich begreifen kann, geht die um ihren HERRN vereinte Kirche im Erlösungswerk Christi auf. Im letzten Teil der Göttlichen Liturgie nehmen zuerst der Klerus und dann die Gläubigen am heiligen Leib und Blut Christi teil.

 

Zum besseren Verständnis wollen wir jetzt den Ablauf der Göttlichen Liturgie eingehender betrachten:

 

Die Feier der Göttlichen Liturgie beginnt mit Psalmengesängen und Fürbittgebeten. Während des Wortgottesdienst betritt der Diakon das Kirchenschiff durch die kleinen Türen des Ikonostas, die Mitteltür, Königliche Pforte genannt, wird vom Priester und Diakon dreimal während des Gottesdienstes durchschritten: Das erste Mal beim sogenannten „Kleinen Einzug“ mit dem heiligen Evangelienbuch, das zweite Mal beim „Großen Einzug“ mit Kelch und Diskos (Patene) und das dritte Mal zur Kommunion der Gläubigen. Das Evangeliar ist ein in Silber oder Gold gefasste Buch und enthält die vier Evangelien. Es wird als „Christusikone des Gotteswortes“ betrachtet. Mit dem Kleinen Einzug beginnt der Teil des Gottesdienstes, in dem der versammelten Gemeinde die Epistel aus einem der Briefe der heiligen Apostel und das heilige Evangelium vorgelesen wird. Meist folgt darauf eine kurze Predigt des Priesters.

 

Nach Beendigung des Wortgottesdienstes bleibt die Königliche Pforte während der nun folgenden Eucharistiefeier geöffnet und der Altar ist somit während der Darbringung der Gaben für die Gemeinde sichtbar. Nach den Vorbereitungsgebeten findet der Große Einzug mit dem Diskos (Patene) auf dem sich das Opferbrot befindet und dem Kelch mit dem Wein statt.

 

 

Im nächsten Teil der Liturgie, der Darbringung der Gaben, auch Anaphora (= Opfer) genannt, werden die Gaben vereint mit unserem Lob Gott zum Opfer dargebracht. In Rahmen des Darbringungsgebetes der Anaphora wird auch des letzten heiligen Abendmahles gedacht und der Einsetzungsbericht wird vom Priester laut gesprochen. Anschließend wird der Heilige Geist auf Brot und Wein herabgerufen mit der Bitte um ihre Verwandlung in den wahren Leib und das kostbares Blut Christi. Die Gläubigen werden in der Orthodoxie hier als das Opfer Mitdarbringende verstanden. Deshalb gibt es in der orthodoxen Kirche auch keine Göttliche Liturgie, die der Priester ohne die Anwesenheit des Volkes vollziehen könnte. Als das heilige Opfer Mitdarbringende bekräftigt das gesamte Volk Gottes (dies bedeutet das griechische Wort Laos, von dem unser deutsches Wort Laie herkommt) das Gebetshandeln des Priesters, das er für, aber nicht anstelle, sondern in Gemeinschaft mit der versammelte Gemeinde vollzieht: Deshalb bekräftigt das Volk Gottes den liturgisch- sakramentalen Vollzug des Priesters mit dem dreifachen Ruf: „Amen! Amen! Amen!“ (So sei es!). Zur Wandlung während der Epiklese verneigen sich der Priester, der Diakon und die Gläubigen und knien danach in einem Augenblick schweigender Anbetung nieder, denn jetzt ist der HERR in den eucharistischen Gaben wahrhaft gegenwärtig, um sich uns zur Speise zu geben „zur Vergebung der Sünden“, wie der Priester später bei der Kommunion der Gläubigen jeder Kommunikanten zusagt.

 

 

Es folgt nun die Kommunion, wo zuerst die Geistlichen und dann die Gemeindemitglieder die geheiligten Gaben empfangen. Durch sie erhält der Mensch Anteil an der Gnade Gottes. Er wird mit der heiligen Kirche, dem Leib Christi, vereinigt.

 

Die Gläubigen empfangen diese Gnade Gottes “zur Vergebung der Sünden“, „zur Freude, zur Gesundheit und zum Frohsinn”, “zum Wohl und Heilung unserer Seelen und Leiber“, „… zur Vertreibung alles Feindlichen, zur Erleuchtung der Augen unserer Herzen, zum Frieden unserer Seelenkräfte, zum untadeligen Glauben, zur ungeheuchelten Liebe, zum Wachstum in der Weisheit, …”, wie es in den Gebeten zur Vorbereitung auf den Empfang der heiligen Kommunion heißt.

 

Nach orthodoxem Kirchenverständnis ist die Eine, Heilige, katholische und Apostolische Kirche überall dort wahrhaft anwesend, wo die Göttliche Liturgie gefeiert, also die heilige Eucharistie in einer Feier des Lobpreis Gottes für das gesamte Heilswerk Christi dargebracht wird. Jede orthodoxe Ortsgemeinde, die sich um ihren Bischof oder den von ihm beauftragten Priester zur Feier der Göttlichen Liturgie versammelt, erfährt die lebendige Gegenwart Jesu Christi in seinem Wort und dem Sakrament Seines wahrhaft gegenwärtigen Leibes und Blutes. Durch den Empfang der Heiligen Gaben nimmt Christus Wohnung in uns. Wir werden zu Christusträgern, zu Ikonen Christi und haben durch Seine Gegenwart Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott, mit der allheiligen Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria, den heiligen Engeln und mit der großen Schar Seiner Heiligen. Durch den Empfang der heiligen Gaben wird die Gemeinde der Gläubigen in den Leib Christi (= die Kirche) verwandelt.

 

Über die Entwicklung der Göttlichen Liturgie haben wir bereits gesprochen. Die ursprüngliche Liturgie dauerte früher fünf Stunden, die Basiliusliturgie dauert etwa zweieinhalb, die Chrysostomosliturgie ab dem 11. Jahrhundert noch etwa eineinhalb Stunden. An den meisten Sonntagen wird die Chrysostomosliturgie gefeiert, an hohen Feiertagen und am Feiertag des heiligen Basilius die Basiliusliturgie. Daneben gibt es noch die Liturgie der vorgeweihten Gaben, eine Liturgieform die die Vesper mit einer kurzen Feier zum Empfang der Kommunion verbindet. Sie wird an den Werktagen der Fastenzeit gefeiert. Ihre Gebete wurden von heiligen Gregor dem Großen, (griechisch: Gregorios  ho Dialogos) genannt, verfasst. Die sehr alte, kurze und einfache Jakobusliturgie, wird bis heute am Gedenktag des heiligen Apostels Jakobus verwendet.

 

Besonderen Stellenwert im orthodoxen Gottesdienst haben die Gesänge. Sie werden als Gebete verstanden und sollen deshalb nur von menschlichen Stimmen vorgetragen werden. Der Gebrauch von Instrumenten ist demzufolge in orthodoxen Kirchen nicht üblich, weil Instrumente nicht beten können. Der Chor soll die Gemeinde beim Gebet leiten und unterstützen. Der Gesang im Gottesdienst ist jedoch nicht sein Privileg. Der Chor soll nur als der musikalisch gebildete Vorbeter der Gemeinde, nicht aber als deren einzige Stimme, auftreten.

 

Als orthodoxe Christen bekreuzigen wir uns in vielfältigen Situationen unseres Lebens, denn wir erfahren durch das Zeichen des Kreuzes Christi Beistand und Schutz. So bekreuzigen wir uns auch beim Betreten einer Kirche und während der Gottesdienste. Auch unsere katholischen und lutherischen Mitchristen kennen die Tradition des Kreuzzeichens. Wir Orthodoxen machen das Kreuzzeichen jedes Mal, wenn die heiligste Dreieinigkeit, beziehungsweise die drei Personen der Trinität erwähnt werden, wenn das heilige Kreuz, die heiligen Ikonen oder Reliquien verehrt werden und bei unzähligen weiteren Gelegenheiten, die aber nicht genau geregelt sind und von den Gläubigen nach eigenem Ermessen, in persönlicher Frömmigkeit und nach den landestypischen Bräuchen gehandhabt werden. Man bekreuzigt von der Stirn bis etwa zur Bauchmitte und anschließend von der rechten zur linken Schulter. Dies weißt uns darauf hin, dass wir orthodoxen Christen das Kreuzzeichen aus der Perspektive des eigentlich Segnenden - und das ist immer Christus Selbst - machen. Daher wird die Bewegung „spiegelverkehrt“ ausgeführt. Beim Bekreuzigen werden Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger zusammengehalten (die drei Finger zusammengelegten Finger bezeichnen unser Bekenntnis zur heiligsten Dreieinigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist), während Ringfinger und kleiner Finger an der Handfläche anliegen (als Bekenntnis zu den zwei Naturen in Jesus Christus, der Wahrhaft Gott und Wahrhaft Mensch ist). 

 

 

An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass viele gottesdienstliche Vollzüge in der orthodoxen Kirche symbolgefüllten Charakter besitzen. Sie sind leibhaft vollzogene Bekenntnisse unseres Glaubens. Im Anschluss an das Kreuzzeichen verneigen sich die Gläubigen nach der russischen Tradition, während man in Griechenland und den Balkanländern, in Georgien und dem Nahen Osten die Handfläche auf das Herz gelegt. Denn dort nimmt die traditionelle orthodoxe Anthropologie, die in den Schriften der Philokalia formuliert wurde, den Sitz des Personenzentrums des Menschen, und damit den Sitz seiner Seele an. Manchmal erfolgt das Kreuzzeichen auch im Zusammenhang mit einer Verbeugung (Kleine Metanie) oder einer Niederwerfung bis zum Boden (Große Metanie). 

 

Zum Abschluss der Göttlichen Liturgie erteilt der Priester den Segen, indem er mit einem Handkreuz das Kreuzzeichen über die Gemeinde zeichnet und sie damit segnet. Die Gläubigen begeben sich daraufhin zum Priester, um das Segenskreuz durch einen Kuss zu verehren. Zu diesem Zeitpunkt wird auch das gesegnete (aber nicht konsekrierte) Brot (Antidoron) ausgeteilt. Es erinnert uns an die urchristliche Praxis der, in urchristlicher Zeit mit der Liturgie verbundenen, Agapefeier. Alle Getauften, also auch alle katholischen und evangelischen Mitchristen, sind recht herzlich zum Empfang des Antidorons eingeladen.

 

Wir Orthodoxen beten in der Regel im Stehen. Deshalb stehen die Gläubigen auch während der Gottesdienste. Die Möglichkeit in der Kirche zu sitzen kam in den westlichen Kirchen in Verbindung mit der Einführung einer längeren Predigt in den Gottesdienst auf. In der orthodoxen Kirche ist die Predigt meist kürzer, als es heutzutage im evangelischen und katholischen Gottesdienst üblich ist. Einige orthodoxe Kirchen besitzen eine Bestuhlung entlang der Wände für Alte und Schwache. Unsere Gäste sind herzlich eingeladen, sich während der lang dauernden Gottesdienste hinzusetzen. Zur Lesung des heiligen Evangeliums, zum Glaubensbekenntnis, während der Feier des Abendmahls und bei der Austeilung der Kommunion bitten wir, dass Sie sich mit uns zusammen erheben.

 

 

Die Göttliche Liturgie - Beständigkeit als Leben aus der Fülle des Heiligen Geistes

 

 

Das Gebet, vor allem aber die Feier der Gottesdienste nimmt im Leben der orthodoxen Kirche den zentralen Platz ein. Dies gilt nochmals in herausgehobenem Maße für die Feier der Heiligen Liturgie, zu der alle übrigen Gottesdienste gleichsam als Vorstufen hinaufführen. Alles geistliche Leben in der Orthodoxie hat deshalb seinen Ursprung in der Feier der Göttlichen Liturgie. Obwohl zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert alle orthodoxen Kirchen den Gottesdienst der Kirche von Konstantinopel annahmen, also heute den byzantinischen Gottesdienstordnungen folgen, wie sie sich an der Großen Kirche der östlichen Christenheit, der Ἁγία Σοφία (Agia Sophia), der Kathedrale der Göttlichen Weisheit, herausgebildet haben, bedeutet diese sichtbare Einheit keinesfalls eine simple Einförmigkeit. Jedes orthodoxe Volk hat im Laufe seiner Geschichte - die immer auch eine je eigene Geschichte des orthodoxen geistlichen Lebens gewesen ist - seine ganz spezifische Weise entwickelt, seine besondere Liebe zu Christus in der je eigenen Art, die gemeinsame orthodoxe Liturgie zu zelebrieren auszudrücken. Orthodoxes kirchliches Leben bedeutet geistliches Leben, in der sich das gemeinsame liturgische Gut im Lichte der Eigenart einzelnen orthodoxen Völker wiederspiegelt. Nur in sofern sind die orthodoxen Ortskirchen auch Nationalkirchen, also Kirchen, die der universalen orthodoxen Glaubenserfahrung auf eine, den Menschen vor Ort angemessene Weise spirituellen Ausdruck verleihen.

 

Wenn es auch keine einheitliche Norm dafür gibt, wie jedes Detail der Göttlichen Liturgie zu vollziehen ist, so gibt es doch eine gemeinsame orthodoxe  Ordnung, die dem kirchlichen Geist, dem Zerkovnost´ als integralem Teil der orthodoxen Tradition entspringt. So gilt es in der orthodoxen Kirche als allgemein gesicherte und anerkannte Tatsache, daß eine Norm, die von allen orthodoxen Kirchen rezipiert ist, der demnach das Pleroma der Kirche das Siegel ihrer Zustimmung aufgedrückt hat, volle Verbindlichkeit besitzt. Eine solche Zustimmung gibt im besonderen Maße es für die bestehende orthodoxe Gottesdienstordnung, die den apostolischen Ursprung treu bewahrt, aber auch die Glaubenserfahrung der folgenden Generationen als dem Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche Christi Rechnung getragen hat. Insofern ist es in der gesamten Orthodoxie gemeinsame Überzeugung, dass keine einzelne orthodoxe Kirche die Gottesdienstordnung mutwillig verändern darf, weil sie damit sowohl die Einheit aller orthodoxen Kirchen als auch das orthodoxe Glaubensgut an sich damit in ernste Gefahr brächte.

 

Weil die Liturgie nicht einfach eine historisch gewachsene Größe im Leben der Kirche, sondern apostolisch gegründete Überlieferung, also einen integralen Bestandteil der Heiligen Tradition darstellt, warnte Seine Heiligkeit Patriarch den römischen Papst Paul VI. vor einer vorschnellen Liturgiereform. Denn jede wesentliche Veränderung in der Heiligen Liturgie kommt an der Frage nach dem Verbindlichkeitscharakter der christlichen Offenbarung und Fülle der kirchlichen Tradition nicht vorbei. Die Heilige Liturgie ist deshalb nicht etwas, über das die Kirche in freier Anpassung verfügen darf, will sie nicht leichtfertig elementare Teile der Glaubensüberlieferung damit in Frage stellen. Nicht umsonst war die protestantische Reformation zugleich mit einer massiven Veränderung und theologischen Umdeutung des Gottesdienstes verbunden. Nach orthodoxem Verständnis erhebt die Feier der Heiligen Liturgie, weil sie das unveränderbare apostolische Glaubensgut in einer unverwechselbareren Feier des Glaubensmysterions feiert, in allen alten Kirchen (orthodoxe Kirche, altorientalische Kirchen und bis zum Zweiten Vatikanum auch in der römischen Kirche) den Anspruch auf Verbindlichkeit für das geistliche Leben in der Kirche. Nach orthodoxem Verständnis ist diese Verbindlichkeit jedoch nicht starr, wie die Fundamentalisten meinen, noch nur zeitgebunden und damit jederzeit beliebig veränderbar, wie die Modernisten meinen, sondern die Verbindlichkeit ist vielmehr pneumatisch, das heißt offen für eine je neue Vertiefung in der jeweiligen Zeit und Kultur.

 

Diese Verbindlichkeit der liturgischen Ordnung bedeutet jedoch kein Streben nach starrer Einheitlichkeit, wie sie die römische Liturgie nach dem Konzil von Trient angenommen hatte. Denn der gemeinsame apostolische Kern der Göttlichen Liturgie wird gerade durch das Wirken des Heiligen Geistes an den zur Liturgiefeier um den Bischof oder den von ihm beauftragten Priester versammelten Gläubigen, der konkreten Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche Jesu Christi vor Ort ausgelegt und verdeutlicht. Deshalb wird die Göttliche Liturgie zu jeder Zeit zugleich auch auf die den Menschen, die in dieser Zeit leben, gemäße Art zelebriert. Das wie wir feiern verändert sich, jedoch nicht das Wesen der Feier selbst. 

 

Insofern kann es nach orthodoxem Verständnis auch keine "Liturgie-Reform", wie sie die römische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - durchaus mit vielen geistlichen Kollateralschäden - durchgeführt hat, sondern immer nur ein geistliches Leben  in der Zeit aus dem Pleroma, der Fülle des Wirkens des Heiligen Geistes an der Kirche geben. Diese Fülle des Heiligen Geistes; Sein Wirken, ist es, das die Feier des seit vielen Jahrhunderten gleichen liturgischen Gebetsformulars und seiner gottesdienstlichen Vollzüge zugleich immer wieder ganz "neu" in dem Sinne werden läßt, dass Christus mit Seinen Engeln und Heiligen inmitten der konkreten Gemeinde, der Versammlung (ekklesia) der Gläubigen, anwesend ist und durch die Feier der Heiligen Eucharistie dort Theosis, die vergöttlichende Gegenwart Gottes geschieht.

 

Insofern fragt die Orthodoxie im Gegensatz zu den abendländischen Kirchen nicht danach, was "zeitgemäß", sondern was Gottes-gemäß ist, also was, aus dem Wirken des Heiligen Geistes von der Fülle (pleroma) der gesamten Kirche erkannt, dazu dient, liturgisch der sakramentalen Gegenwart Christi inmitten der Ekklesia rechtgläubig zu dienen. So entfaltet sich der orthodoxe Gottesdienst als ein Gegenwärtig-werden der himmlischen Wirklichkeit inmitten der versammelten Gemeinde. Die Göttliche Liturgie und die sie umrahmenden Gottesdienste des orthodoxen Stundengebetes entfalten anbetend die genuin kirchliche Erfahrung, die sich zutiefst von den aus der protestantischen Reformation hervorgegangenen Glaubensgemeinschaften unterscheidet, eines liturgischen Einwerden der oberen himmlischen Welt mit der streitenden Kirche hier auf Erden.  "Wir haben das wahre Licht gesehen, wahren Glauben haben wir gefunden, die Allheilige Dreieinheit beten wir an...", so bekennt dieses Gegenwärtig-werden des Mysterions während der Feier der Göttlichen Liturgie am Ende der Feier die versammelte orthodoxe Gemeinde.

 

Insofern beinhaltet die Feier der Göttlichen Liturgie genau so wenig das Moment der Beliebigkeit, wie es das rechtgläubige Bekenntnis des christlichen Glaubens, das wir Orthodoxen mit den Worten des Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis vornehmen, darstellt. Der Heilige Basilius der Große bezeichnet die ungeschriebene Tradition, zu der auch die Heilige Liturgie gehört, als "Dogma", während er die geschriebene Tradition, die uns in der Heiligen Schrift und in den Werken der Heiligen Väter überliefert als "Kerygma" bezeichnet. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Ost und West bezüglich des Begriff "Dogma". Während die abendländische Theologie den Begriff scholastisch begreift, also als eine Definition des Glaubensinhaltes, als einen Lehrsatz, ist er für die Orthodoxen vor allem eine geist-gewirkte Umschreibung des rechten Glaubens; ein Gebet, das seinen Sitz im geistlichen Leben der Kirche, in der Feier der Heiligen Liturgie hat. Für die orthodoxe Kirche gehören die  "horoi" des Dogmas, wie der griechische Theologe Christos Yannaras ausführt, nicht zu philosophisch-theoretischen Prinzipien, sondern sie umschreiben die Grenzen (horoi) der Erfahrung der Kirche, welche die gelebte Wahrheit von der Verfälschung durch Häresie trennen. Deshalb kennt die orthodoxe Theologie auch nicht der Vorstellung einer Dogmenentwicklung, sondern das Dogma ist genauso wie das Kerygma Bestandteil der apostolisch übermittelten Glaubenswahrheit. Nach den Worten des heiligen Basilius kommt es, dem gebeteten Dogma zu, das Kerygma auszulegen und zu vertiefen. Dies ist weniger eine Frage der Worte und Begriffe, wie die westlich-scholastische Theologie meint, sondern der Vollzug des Glaubens durch die Feier der Göttlichen Liturgie und der übrigen Mysterien (Sakramente). Das Leben der Kirche ist nicht in erster Linie die Lehre (Predigt), sondern vor allem Verkündigung durch das Gebet. Deshalb ist auch das Verständnis von Mission in den Kirchen des Westens und der Orthodoxie ganz unterschiedlich. Verkündigung geschieht nach orthodoxem Verständnis vor allem und in erster Linie in der Feier der Gottesdienste. Hier wird das Kerygma betend entfaltet, hier vollzieht sich die gesamte Fülle des Heiles in der Abfolge der Feste des Kirchenjahres. Insofern betrachtet die Orthodoxie die Feier der Göttlichen Liturgie als den eigentlichen Herzschlag der Kirche, der das gesamte Leben der Kirche und von dort aus auch den Alltag der orthodoxen Christen durchdringt. So sind das Kerygma und seine Vergegenwärtigung im Dogma die beiden Flügel der Heiligen Apostolischen Tradition. Mit dem heiligen Basilius geht es bei der Feier der  Liturgie nicht einfach um die Frage eines "zeitgemäßen" Gottesdienstes, um Fragen des Zeitgeschmacks bei der Durchführung des Ritus und einer dem modernen Empfinden angepassten Zelebrationsweise, vielmehr geht es beim Vollzug der Göttlichen Liturgie um gebetetes und gefeiertes Dogma.

 

 

Die Göttliche Liturgie 
als Vergegenwärtigung von 
Opfer, Kreuz und Heil

 


Predigt 
von 
S.E. Metropolit Anthony (Bloom) +

 

Ich möchte heute mit uns über die Göttliche Liturgie nachdenken, darüber, was sie darstellt, wie wir an ihr teilhaben können, und dies nicht nur während des Gottesdienstes. Da sind wir mit Herz und Seele dabei. Aber auch sonst gilt es an ihr teilzuhaben, woran die Menschen durchaus nicht immer denken und was doch aus einer grundsätzlichen inneren Beteiligung hervorgeht. Zunächst will ich mit euch darüber nachdenken, was Liturgie ist.

 

Im Mittelpunkt der Göttlichen Liturgie steht das Opfer Christi am Kreuz; zum Verständnis dieses Opfers befähigt uns das ganze Alte Testament, zumal jener Teil, den wir nicht immer so bewußt annehmen, nämlich die gesetzliche Regelung des Opferwesens. Häufig stellt sich die Frage, weshalb denn diese Opfer festgesetzt wurden, welchen Sinn die Darbringung eines Lämmchens zur Besänftigung Gottes haben könnte? Vermag denn das Blut wortloser Tiere eine Rechtfertigung und Reinigung für den Menschen zu sein? Hier gilt es zu begreifen, worum es bei diesen Geboten geht und wie das Alte Testament die Akzente setzt. Dabei wollen wir uns mit Herz und Seele in Zeiten versetzen, die der unseren nicht gleichen, die aber leicht verstanden werden können, wenn man sich etwa folgendes klarmacht: Da wird ein Auto von einem betrunkenen Fahrer gesteuert. Er überfährt einen Passanten und verletzt ihn tödlich. Was geschah? Wie kommt es, dass einer einen Fehler macht, und ein anderer dafür mit seinem Leben bezahlen muß? Genau darin besteht das Herzstück der Opferung in Bezug auf die menschliche Sünde.

 

Man stelle sich die Situation im Alten Testament vor: Jüdische Nomaden ziehen mit ihren Herden von Schafen und anderen Tieren umher. Da wird also bei einem Armen - Reiche gab es nicht - ein Lämmlein geboren. Wir sehen am Beispiel der alttestamentlichen Erzählung, die von einem Ereignis aus dem Leben des Königs David berichtet (2 Samuel), wie eng der Hirte mit dem Lämmchen verbunden war, das in seiner Herde geboren wurde. Es war nicht nur ein Zeichen für potentiellen Wohlstand, es wurde vielmehr gleichsam in seine Familie hineingeboren, man liebte es in seiner Gebrechlichkeit, es war klein und bedurfte des Schutzes, und es war auf Zuwendung und Wärme angewiesen.

 

In dieser Erzählung vom König David heißt es, er habe in seiner Verblendung einem anderen Manne die Frau weggenommen, obwohl dieser im Krieg für ihn focht. Der Prophet Nathan will ihn ermahnen und kommt zu ihm. Er tut das nicht auf direktem Wege, sondern erzählt ihm ein Gleichnis: Es war ein armer Mann, und er hatte nur ein Schäfchen. Das lebte in seinem Hause, er fütterte es, beschützte es, ihm galt all seine Liebe und Fürsorge. Er hatte niemanden sonst auf der Welt, und so hielt er es wie ein Töchterchen. Und da war ein wohlhabender Nachbar, der einen Gast hatte. Er besaß viel Vieh, aber er schonte seine Herde und nahm das Lämmchen des Armen, ließ es schlachten und seinem Gast als Speise vorsetzen ... Wie reagierte David darauf? Er rief empört: Dieser Mann ist des Todes. Er nahm das Kostbarste, was der Arme besaß, so dass ihm nichts blieb ... Da sagte Nathan zu ihm: Du bist der Mann; Uria hatte nur einen Schatz, das war seine Frau, die er liebte, die ihm alles bedeutete, du aber bist König, du hast alles, und doch hast du sie ihm weggenommen ... Aus dieser Erzählung spüren wir die Wärme und Zuneigung, die zwischen dem Hirten und dem Schäfchen bestand, zwischen dem Menschen und seiner Herde.

 

Auch in Christi Erzählung vom verirrten Schaf wird dies deutlich. Rein "wirtschaftlich" betrachtet, hat ein in den Bergen verirrtes Schaf kaum eine Bedeutung. Sollte man denn 99 Schafe allein lassen, sie der Gefahr aussetzen, dass sie auseinander laufen und dem Wolf zum Opfer fallen oder von Räubern weggetrieben werden? Natürlich nicht! Schließlich werden neue Schafe geboren, die den Verlust ersetzen. Aber hier wird nicht wirtschaftlich gedacht, hier begegnet uns ein völlig anderes Verhalten. Das entlaufene Schaf ist Glied seiner Herde, hier wurde es geboren. Er wird es, solange es klein war, auf seinen Schultern getragen haben oder auf seinem Arm, wenn die Herde einer neuen Weide zugetrieben wurde. Er achtete darauf, er schützte es vor Krankheit und Kälte, vor Hunger und wilden Tieren und wohl auch vor der Grobheit anderer Schafe. So war es nicht nur ein Schaf für ihn, das tausend andere ersetzen konnten, es war ein ihm vertrautes Tier, und deswegen kann er gar nicht anders, als es zu suchen.

 

Wenn wir uns nun den Opfern im Alten Testament zuwenden, wollen wir dessen eingedenk bleiben, was wir über die Empfindungen des Menschen zu einem verloren gegangenen Schäfchen erfahren haben, drohte ihm doch der Tod!

 

Da spricht der Herr zu ihm: Du bist ein sündiger Mensch. Du lebst unrein vor mir, und du tust Unrecht; und weil du Unrecht tust, musst du mit eigener Hand eines deiner Schafe schlachten, und du sollst dafür ein makelloses Tier auswählen, das schönste, an dem dein Herz hängt, das deine Freude ist wie das Kind in deinem Hause... - Warum dies? Warum soll ich das tun? Weil das Unrecht des Schuldigen leidvoll dem Unschuldigen auferlegt wird. Wenn du es tötest, wirst du dir die Frage stellen, ob du abermals treulos, unehrlich, ungerecht handeln kannst? Du wirst inne, wer für deine Sünde bezahlt hat, und dir wird bewusst, wen der Fluch deiner Sünde trifft.

 

So wurden jahrhundertelang die Menschen im Alten Testament erzogen, dass die eigene Sünde unbedingt Leiden, Qual und Tod dem Unschuldigen bringen muss, und der Schuldige dadurch verschont wird. Ein Ungerechter weiß sich aus der Klemme zu ziehen, aber der geliebte Reine, Zarte, Schutzlose bezahlt mit seinem Leiden als Konsequenz aus meiner Sünde. Darum war das Alte Testament gegenüber dem Menschen so streng: Du musst das schönste Schäfchen aussondern und für den Tod bestimmen, musst es zum Opfer bringen und augenscheinlich fast körperlich spüren, was Sünde bedeutet ... Sünde bedeutet Tod, Leiden, Schrecken, je Todesangst für ein unschuldiges Wesen, obwohl es deine Sünde ist, bringt sie ihm oder ihr Leid.

 

Nunmehr wird klar, wie tödlich die Sünde wirkt. Damals hat eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war, das schrecklich an sich erfahren. Wahrscheinlich denken sie jetzt an das 8. Kapitel des Johannesevangeliums (Johannes 8,3 ff.). Man hatte eine junge Frau beim Ehebruch ertappt und dem Gericht Christi überstellt: "Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du?" ... Ich will jetzt nicht darauf eingehen, was Christus gesagt hat; ich möchte vielmehr das Augenmerk auf die junge Frau richten. Sie hatte aus Leichtsinn, vielleicht auch verlockt und verführt, gesündigt. Wahrscheinlich hat sie wie wir alle gedacht: Ich werde es später durch Buße in Ordnung bringen, aber es wird immer wieder vorkommen, dass es kein anderes Mal gibt ... Hier war es so. Man ergriff sie. Sie sah sich vor Christus geführt und kannte das Gesetz. Nun begreift sie körperlich, seelisch, mit ihrem ganzen Wesen, wie Sünde und Tod das Gleiche sind. Weil sie gesündigt hatte, wird sie nun sterben. Sie begreift, dass vor Gottes Gericht immer die Sünde den Tod nach sich zieht ... Es bewirkt die gleiche Erfahrung wie im Falle des Hirten und seines Lämmchens. Tod und Sünde scheinen für uns so weit auseinander zu liegen, dass sie nichts miteinander zu tun haben; sündigen tue ich jeden Tag; sterben werde ich irgendwann einmal später. Doch plötzlich wird unübersehbar, wie recht der Apostel Paulus hatte, wenn er den Tod der Sünde Lohn nennt (Römer 6,23). Wie recht hat das Buch Genesis, in dem eingangs berichtet wird, dass der Mensch sündigte und der Tod in die Welt kam. Uns deucht das so weit weg und unrealistisch, aber wie real wurde es für diese junge Frau, die für einen Augenblick der Sünde plötzlich vor dem Tod stand, dem endgültigen, dem plötzlichen. Und dieser Tod war grausam; von Steinen erschlagen zu werden, einsam zu sterben, von allen verworfen ... Eben das Gleiche durchlitt der Hirte, der seine Sünde auf ein geliebtes Tier legen musste und damit seinen Tod bewirkte.

 

Darin bestand der Sinn alttestamentlicher Opferung, und deshalb sprechen Altes und Neues Testament (das Alte Testament prophetisch, das Neue faktisch) von Christus als dem Lamm Gottes, das die Sünden der Welt auf sich nimmt (Johannes 1,29).

 

Er nimmt die ganze Sünde der Welt auf sich. Er, der Makellose, Reine, Sündlose muss sterben, weil Er aus freiem Willen einer von uns werden wollte. Er ist nicht nur Gott im Himmel, Er ist Mensch auf der Erde. Ein sündloser, ein reiner Mensch, wie das Opferlamm rein und makellos sein muß. Und weil sich um Ihn die Sünde häuft, bringt sie über Ihn Fluch und Tod. Christus wird für den Tod geboren. Bereits als Kind von Bethlehem ist Ihm wie einem neugeborenen Lamm das Los eines blutigen Opfers bestimmt. Wenn wir am Heiligen Abend vor der Krippe Christi stehen, sollten wir daran denken, was das bedeutet. Gewöhnlich zeigt uns die Weihnachtsikone eine Krippe. Ich denke an eine alte griechische Ikone, wo alles dargestellt wird, wie wir es gewohnt sind: die Grotte, die Jungfrau und Gottesmutter, Josef, die Hirten, die Engel, Tiere und die Weisen, aber etwas ist ganz anders als bei den sonstigen Ikonen. Statt der Krippe liegt Christus auf dem Opferaltar, ein hoher von Steinen errichteter Opferaltar, und Er liegt dort wie ein Lamm. Er liegt dort, weil Er dazu in die Welt kam, um für die Sünden der Menschen geschlachtet zu werden. Bereits im ersten Augenblick Seiner menschlichen Existenz war Er das Opfer.

 

Auch in der Taufe des Herrn wird dieses Bild lebendig. In der Weihnachtsnacht wurde der Retter nach dem Willen des Vaters und dem gehorsamen Liebeswillen des Sohnes geboren. Jetzt aber ist Er kein Säugling mehr, jetzt steht Er als ausgewachsener Mann, als der Christus Jesus im Wasser. Vormals bestimmte der göttliche Rat, der göttliche Entschluss unser Heil als durch den Kreuzestod des Gottmenschen vollzogen; jetzt aber beschließt nicht allein Gott, jetzt muss der Mensch Jesus Christus verwirklichen, was der ins Fleisch gekommene Gott durch Seine Inkarnation auf Sich nahm. Wieviele Menschen mögen vor Ihm zum Jordan gekommen sein, um von ihren Sünden symbolisch, bildhaft gewaschen zu werden. Sie tauchten unter in den Wassern des Stroms, und diese wurden gleichsam belastet mit der menschlichen Sünde, sie wuschen sie ab, und die Sünde blieb gleichsam in den Wassern als schwere Last mit tödlichem Ausgang zurück. In diese Wasser taucht der sündlose unschuldige Christus ein. Bei Ihm braucht nichts abgewaschen zu werden, Er ist rein, aber Er taucht unter in diese tödlichen und todbringenden Fluten, in die menschliche Sünde und steigt aus den Wassern, als habe Er diese Sünden auf Sich genommen und sie durch Sein Untertauchen wieder gereinigt. Die Fluten des Jordans bergen in sich Reinheit, die sie dadurch erwarben, dass Christus die Sünden aus ihnen auf Sich nahm, der Gottmensch heiligte sie durch Seine Berührung. Wir sind Christus gegenüber in der gleichen Lage wie der Hirte, wie der alttestamentliche Herr der Schafherde zu seinem Lämmlein, das er schlachten muss und dem Tode anheim geben, weil er selbst sündig ist.

 

Wir vermögen das nicht nachzuempfinden. Christus lebte vor 2000 Jahren. Die Ikonen haben diese schrecklichen Bilder veredelt, und der Gottesdienst hat all dieses Geschehen wohlanständig gemacht. Wir betrachten die Ikonen der Kreuzigung, ohne den sterbenden Menschen, Jesus Christus, am Kreuz wahrzunehmen, die Ruhe des Friedens hat sich auf diese argen Bilder gelegt. Aber wir dürfen das nicht vergessen! Wie können wir das vergessen und in der Liturgie nur einen schönen Gottesdienst sehen, der uns so viel gibt und uns so viel sagt?! Vermögen wir denn nicht durch diese Schönheit die tragische Realität dessen zu sehen, was sie darstellt? Der Tod ist nicht schön. Er kann erhaben sein, aber nicht schön sein. Wir müssen uns von den vertrauten Bildern, die uns im kirchlichen Gottesdienst begegnen, losreißen und hineinbegeben in die Realität der Ereignisse selbst.

 

Überall, während des ganzen Gottesdienstes, können wir das erleben. Kreuz und Kreuzigung, worauf wir schauen, stellen für uns Opfer und Sieg Christi dar, aber wir dürfen nicht nur den Sieg sehen. Die Priesterkleidung weist uns auf die königliche Würde des Siegers Christus hin, wir aber sollten nicht vergessen, für welchen Preis der Menschensohn diese Würde erwarb. Häufig sagt man, der bischöfliche Gottesdienst konzentriere sich auf den Bischof. Dass wir doch verstehen könnten, was er an sich darstellt in den verschiedenen Handlungen, die ihn umgeben. Es sind schreckliche und durchaus nicht strahlende Bilder des Neuen und Alten Testaments.

 

Der Bischof betritt die Kirche, er steht in ihrer Mitte, für alle sichtbar, und man nimmt ihm die Oberbekleidung ab. Ist das nicht ein Gleichnis dafür, was in der Passionsnacht mit Christus geschah, als Er entkleidet wurde und allein blieb, vor aller Augen die Geißelung, die Schande und den Spott erwartete? Christus hat zu Petrus gesagt: "Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst" (Johannes 21,18). Auch der Bischof hebt die Arme, und man legt ihm den Gürtel an, der die Bereitschaft zur Tat symbolisiert. Wir können darin nur die Zurüstung zum Dienst des Bischofs sehen, wir können auch dieses schreckliche Bild sehen, das sich vor Petrus auftat, als Christus ihm jenen Tod ankündigte, den er sterben würde. Die Mitra symbolisiert die Dornenkrone, sind wir willig, das so zu sehen oder sind wir blind dafür? ... Und vor allen Dingen der Priester bekleidet sich vor dem Dienst mit einem weißen Hemd, das Makellosigkeit und Reinheit darstellt, eben jene Reinheit des Lammes, das zur Schlachtung geführt wird. Gewiss, das sind Bilder, wir können sie wahrnehmen oder blind ihnen gegenüber sein, und das lässt sich über alles sagen, was in der Kirche geschieht.

 

Schrecklich ist es nur, wenn wir uns von der Schönheit blenden lassen und von der Harmonie all dessen verzaubert werden, was vor unseren Augen abläuft und dabei vergessen, was es an sich bedeutet. Christus ist das Lamm, geboren zum Tod, gelegt in eine Krippe, die den Opferaltar darstellt, Er ist das Lamm geboren in einer Grotte, die die Grabkammer in jenem Garten ankündigt, wo Sein atemloser Körper - oder sagen wir’s einfacher: Sein Leichnam - nach einem schrecklichen Tod am Kreuz hingelegt wird. Und Sein ganzer Lebensweg führt Ihn zum Abendmahl.

 

Im Bericht über das Abendmahl wird bei den verschiedenen Evangelisten ziemlich vollständig das jüdische Passahmahl am Abend dargestellt. Aber das allein genügt nicht. Im Mittelpunkt der jüdischen Passahnacht stand das geschlachtete Lamm, das zerteilt wird. Und keiner der Evangelisten erwähnt das Lamm, weil der Mittelpunkt des Abendmahles Der ist, Der Gottes Lamm ist. Das Lamm des Alten Testaments, das Lamm der Opferung war nur ein Bild, eine Vorbereitung darauf, daß wir verstehen und sehen sollten. Jetzt ist es nicht mehr nötig: Inmitten der Jünger sitzt das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt, dem Tod und der Kreuzigung entgegengeht.

 

Erinnern wir uns an den Propheten Jesaja, der von Christus sagt: "Seht, mein Knecht ... Viele haben sich über ihn entsetzt, so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen. Jetzt aber setzt er viele Völker in Staunen, Könige müssen vor ihm verstummen. Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, das sehen sie nun; was sie niemals hörten, das erfahren sie jetzt. Wer hat unserer Kunde geglaubt? Der Arm des Herrn - wem wurde er offenbar? Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Sproß, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden. Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so daß wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, daß wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen. Er wurde mißhandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf. Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen. Bei den Ruchlosen gab man ihm sein Grab, bei den Verbrechern seine Ruhestätte, obwohl er kein Unrecht getan hat und kein trügerisches Wort in seinem Mund war. Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen (Knecht), er rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen. Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen, und mit den Mächtigen teilt er die Beute, weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein" (Jesaja 52,13-53,12).

 

Und von der Gottesmutter heißt es: "Freu dich, du Unfruchtbare, die nie gebar, du, die nie in Wehen lag, brich in Jubel aus und jauchze! Denn die Einsame hat jetzt viel mehr Söhne als die Vermählte, spricht der Herr" (Jesaja 54,1).

 

Wir haben hier Bilder der Opferung, prophetische Worte. Das ganze Alte Testament ist darauf ausgerichtet, daß das Lamm Gottes kommt, zum Sterben geboren wird, die Sünde auf sich nimmt, die Wahrheit verkündigt, Heiligkeit offenbar macht, Sich freiwillig Folter und Qual aussetzt, am Kreuz stirbt und durch den Tod den Tod besiegt.

 

In dieser Nacht freilich geschah etwas Besonderes. Christus nämlich, der große Hirte, der Hohepriester der Kirche hat diesen göttlichen Dienst Selbst vollzogen. Er brach das Brot, Er verteilte den Kelch und dennoch bleiben die Jünger, die an diesem Brot und Kelch teilhatten, diejenigen, die sie früher gewesen waren. Denn dieses Abendmahl, das von Christus noch auf der Erde gefeiert wurde, war Prototyp dessen, was kommen sollte im Laufe der nächsten Tage, die wir die Leidenswoche nennen. Es war gewissermaßen eine Schau jener Liturgie, die wir nach Kreuz und Auferstehung, nach Himmelfahrt und Pfingsten hier vollziehen. Sie war ein Vorbild auch deswegen, weil das Wesen des Geheimnisses noch nicht vollendet war. Die Nacht von Gethsemane, der Verrat, die Leidenstage, Kreuz, Auferstehung und Verherrlichung des Erlösern waren noch nicht geschehen, und die Gabe des Heiligen Geistes, Der auf die Jünger fallen sollte, um sie fähig zu machen, Frucht zu tragen, war noch nicht ihnen gegeben. In diesem Sinne war auf unbegreifliche, schreckliche Weise, dieses Abendmahl, von Christus Selbst vollzogen, noch Erwartung des künftigen, größeren, realen.

 

Allerdings hat Christus das ganze Werk der Rettung vollbracht, alles ist getan, nichts mehr hinzuzufügen in der Ordnung des göttlichen Heilsplans, und wir feiern die Liturgie. Aber auch sie ist nur ein Abbild dessen, was wir erwarten, trotz ihrer unbegreiflichen Größe, ungeachtet dessen, daß in ihr uns real, gegenständlich, geistlich das ewige Leben vermittelt wird, erwarten wir dennoch das größere. Nach der Kommunion sagt der Priester in einem kurzen Gebet: "Gewähre uns, Wahrhaftiger, mit Dir zu kommunizieren am abendlosen Tag Deines Reiches." Denn diese Göttliche Liturgie stellt gleichzeitig sowohl das Geheimnis der rettenden Tat Christi als auch das des künftigen Zeitalters dar, der in seiner Fülle in all seiner Macht und Herrlichkeit erst nach der zweiten Wiederkunft Christi offenbar wird. Dennoch ist dies nicht nur Erwartung, nicht nur ein Bild; die Göttliche Liturgie ist nicht ein Gleichnis, sie ist Realität, aber eine Realität, die wir jetzt noch nicht in ihrer Fülle begreifen können und die uns noch nicht in ihrer ganzen Macht und Herrlichkeit zuteil werden kann. In der Göttlichen Liturgie geschieht ein Wunder, nämlich das, dass alles, was wir in Zukunft noch erwarten, in einem uns zugänglichen Maße bereits jetzt geschenkt wird. In einem der stillen Gebete des Priesters heißt es: "Laß uns heute Anteil haben an Deinem Reich, welches noch kommen wird: Lass uns heute teilhaben an dem, was noch bevorsteht." Denn die Liturgie ist nicht Bild noch Gleichnis, sondern eine Vorwegnahme, ein Vorgeschmack, weil in der Göttlichen Liturgie schon jetzt (für einen Augenblick und in jenem Maße, in dem es uns zugänglich wird nach unserem Verhaftetsein im Fleisch, nach unserer Sündhaftigkeit und nach der Sündhaftigkeit der ganzen Welt) wir die Ewigkeit vorweg kosten, an ihr teilhaben, mit ihr kommunizieren. Und darin besteht bei der Spendung der Sakramente der eigentliche Sinn der Anrufung des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist gibt Zeugnis, dass das künftige Zeitalter schon angebrochen ist. Das künftige Zeitalter (wir wissen es selbst) ist für uns erst partiell heraufgekommen; obwohl erkauft, sind wir dennoch sündhaft; obwohl in der Vereinigung mit Christus, sind wir nicht wie Er makellose Lämmer; obwohl wir die Gabe des Heiligen Geistes empfangen haben, brennen wir nicht in einer hellen Flamme, sondern trübe und von Zeit zu Zeit.

 

In diesem Sinne ist das künftige Zeitalter, die Teilhabe sowohl an der Fülle dessen, was der Mensch in Christus darstellt, als auch am Leben des Geistes in uns nur partiell ausgeprägt. Und deswegen bleibt das Festmahl der Ewigkeit, an dem wir teilhaben, Erwartung und Vorgeschmack, Sehnsucht nach ihm, aber nicht Realität in ihrer Fülle. Wir rufen den Heiligen Geist, Er kommt herab, Er erfüllt alle mit Sich: Brot und Wein werden tatsächlich zum Leib und Blut Christi; aber wir sehen sie nicht brennend und leuchtend in der göttlichen Teilhabe. Zwar empfangen wir die Geheimnisse, und in uns wird für einen Augenblick das Licht göttlicher Gegenwart entfacht, aber trübe, sacht, nicht für lange. Wir leben einerseits von jener Fülle, die uns gegeben wird - und nicht nach Maß (Johannes 3,34) - , sondern die wir empfangen nach dem Maße unserer Kräfte; und andererseits leben wir in der Erwartung dessen, dass diese Göttliche Liturgie einst kein Gottesdienst, sondern Realität des ganzen Lebens sein wird, wenn dann, wie das Buch der Offenbarung sagt (Offenbarung 21,22), im neuen Jerusalem es keinen Tempel mehr geben wird, weil Gott der Tempel ist, und es wird keinen Gottesdienst mehr geben wird, keine Opfer, sondern nur noch eins: das Leben Gottes, das wie ein Strom, wie eine Quelle in uns fließt und sprudelt.

 

Das ist es, was wir erwarten; dennoch ist die Göttliche Liturgie, wie wir sie jetzt kennen und wie wir sie feiern, bereits heute siegreiche Wirklichkeit, weil sie die Sünde, den Tod, den Hades besiegt. Es ist Vorgeschmack der letzten Herrlichkeit und des großen Triumphes, aber es ist schon der Sieg Gottes auf der Erde und unsere Teilhabe an diesem Sieg.

 

Quelle: Stimme der Orthodoxie 1/99, Seite 25 ff. Hier nach Andreasbote.

  

 

Die Göttliche Liturgie als Himmel auf Erden

von S.E. Bischof Kallistos von Diokleia

 

Ein fortwährendes Wunder

 

"Die Eucharistie ist ein fortwährendes Wunder", bestätigt jemand, der im 20. Jahrhundert ein eucharistischer Priester par excellence war, der hl. Johannes von Kronstadt. Der Zweck unseres Kongresses ist genau, unsere Augen zu öffnen, damit wir mit Frische und Intensität die Tiefe und die revolutionären Konsequenzen dieses fortwährenden Wunders zu schätzen wissen. In den Worten Platons ist "der Anfang der Philosophie ein Gefühl des Staunens". Während dieser Tage des Nachdenkens und des Feierns, die wir zusammen verbringen werden, möge Christus, der Hohepriester, unser Gefühl des Staunens verstärken vor dem Wunder der Göttlichen Liturgie.

 

Nicht "Ich" sondern "Wir"

 

Wir wollen beginnen, indem wir uns die wahre Bedeutung des Wortes "Liturgie" ins Gedächtnis rufen. Das griechische Wort "leitourgia" wird manchmal erklärt als "ergon tou laou" - Werk des Volkes. Ich habe den Verdacht, dass das zweifelhafte Etymologie ist, es ist aber gute Theologie. Im klassischen Griechisch ist eine "Liturgie" eine gemeinsame Aktion, etwas, das von vielen Personen zusammen unternommen wird, etwas, das diese Personen nur solidarisch miteinander tun können, nicht isoliert. Wenn also die Eucharistie "Liturgie" genannt wird, bedeutet das, dass sie immer gemeinschaftlichen Charakter hat. In der Göttlichen Liturgie gibt es nur aktive Teilnehmer, keine passiven Zuschauer.

 

Die Göttliche Liturgie als gemeinsame Handlung drückt auf diese Weise den wahren Charakter unseres Menschseins aus. Im Griechischen heißt das Wort für Person "prosopon", was wörtlich "Gesicht" oder "Gesichtsausdruck" bedeutet. Ich bin nur Person, wenn mein Gesicht sich anderen Personen zuwendet, wenn ich in ihre Augen sehe und sie in meine schauen lasse. Mit anderen Worten, es gibt keine wahre Person, wenn nicht wenigstens zwei Personen sich im Dialog befinden. Ich brauche dich, um ich selbst zu sein. Wenn das also die wahre Bedeutung des Menschseins ist, drücken wir uns als Personen in Beziehungen miteinander aus, wenn wir die Göttliche Liturgie feiern. Von allen Dingen, die wir Menschen tun, ist die Göttliche Liturgie das im wahrsten Sinn persönliche.

 

Der interpersonale Geist der Göttlichen Liturgie wird offensichtlich durch die Tatsache, dass während des gesamten Gottesdienstes, außer bei sehr wenigen Gelegenheiten, die Gebete immer im Plural gesprochen werden und nicht im Singular. Das benutzte Pronomen ist "wir", nicht "ich". Hier folgt die Liturgie getreu dem Geist des Vaterunsers, das der Heiland uns als Modell gab für alle unsere Zwiesprachen mit Gott. Im Vaterunser sagen wir "wir" einmal, "unser" dreimal, "uns" fünfmal, aber niemals sagen wir "mich", "mein" oder "ich". Sie werden sich bestimmt an die Erzählung erinnern, die Fedor Dostoevskij in sein Meisterwerk "Die Brüder Karamazov" einfließen ließ. Es war einmal eine alte Frau, die sich nach ihrem Tod zu ihrer großen Überraschung in einem Feuersee wiederfand. Als sie ihren Schutzengel am Ufer stehen sah, rief sie ihm zu, dass es sich bestimmt um ein Missverständnis handeln müsse. Der Engel versuchte, sich an gute Taten aus ihrem früheren Leben zu erinnern, aber kam nur auf eine einzige: Als sie einmal im Garten arbeitete hatte sie einem Bettler eine Zwiebel gegeben. So nahm er also die Zwiebel, reichte der alten Frau das andere Ende und zog sie langsam aus dem Feuersee heraus. Aber sie war dort nicht die einzige, und als die anderen sahen, was geschah, drängten sie sich an sie und hielten sich an ihr fest in der Hoffnung, ebenfalls herausgezogen zu werden. Das gefiel der alten Frau ganz und gar nicht. "Lasst mich los", rief sie, "ich werde hier herausgezogen, nicht ihr. Es ist nicht eure Zwiebel, es ist meine". In dem Moment, in dem sie "meine" rief, brach die Zwiebel entzwei und die alte Frau fiel in den Feuersee zurück, und dort ist sie noch heute, wie man mir glaubhaft versicherte.

 

So erzählt Dostoevskij die Geschichte; wir könnten hinzufügen: Wenn die alte Frau nur nicht gesagt hätte "es ist meine Zwiebel" sondern "es ist unsere Zwiebel", wäre dann die Zwiebel nicht stark genug gewesen, alle aus dem Feuersee zu ziehen? Aber indem sie nicht sagte "es ist unsere" sondern "es ist meine", verleugnete sie ihre wahre Natur als Mensch nach dem Bilde Gottes, der Heiligen Dreifaltigkeit. Denn die Trinität ist nichts anderes als das Mysterium der wechselseitigen Liebe, und wenn wir diese wechselseitige Liebe verwerfen, verleugnen wir auch unsere wahre Natur als Menschen nach dem trinitarischen Bild. Überdies war die alte Frau, indem sie sagte "es ist meine Zwiebel", zutiefst unliturgisch. Die Göttliche Liturgie als gemeinsame Handlung ist in höchstem Maße der Ort, an dem wir danach streben, miteinander an der unerschaffenen noetischen Zwiebel teilzuhaben.

 

Die Momente der Liturgie, in denen das Wort "ich" verwendet wird und nicht "wir", stellen sich bei näherer Prüfung als Ausnahmen heraus, die eher scheinbar als wirklich sind. Z.B. benutzt der Priester im Gebet während des Cherubim-Hymnus direkt vor dem großen Einzug mehrmals das Pronomen "ich". Dieses Gebet ist der Liturgie in einer Zeit hinzugefügt worden, als die Priestergebete nicht länger laut in Hörweite des Volkes gesprochen wurden sondern "heimlich" und leise.

 

Dieses Gebet ist also Teil der persönlichen Gebete des Priesters, und verständlicherweise spricht er von sich selbst in der 1. Person Singular.

 

Ebenso sagen wir beim Glaubensbekenntnis "ich glaube". In seiner ursprünglichen Form, wie sie von den Ökumenischen Konzilien beschlossen wurde, begann das Glaubensbekenntnis mit "wir glauben". In der Folgezeit wurde das Glaubensbekenntnis als Erklärung des Glaubens bei der Taufe benutzt und der Taufkandidat sprach im Singular "ich glaube". Als das Glaubensbekenntnis vom Taufritus in die Eucharistie übernommen wurde, wurde der Ausdruck "ich glaube" beibehalten. Wäre es nicht gut, wenn wir Orthodoxen zur älteren Form des "wir glauben" zurückkehrten, wie es in vielen überarbeiteten Formularen der Eucharistiefeier im christlichen Westen getan wurde?

 

Ebenso wird in der slawischen Tradition direkt vor der Kommunion der Gläubigen das Gebet gesprochen "Ich glaube, Herr, und ich bekenne, dass du in Wahrheit bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ... " Aber dieses Gebet und die beiden folgenden gehören eigentlich nicht zur öffentlichen Feier der Liturgie, sondern zum Dienst der Vorbereitung auf die Heilige Kommunion, der von jedem Gläubigen privat gesprochen wird, und so wird hier natürlich das Wort "ich" gebraucht.

 

 

Wir wollen nun weiter den gemeinschaftlichen Charakter der Eucharistie beleuchten, der sich im Gebrauch des Wortes "wir" widerspiegelt:

 

1.: Ganz zu Beginn der Eucharistiefeier, noch bevor der Zelebrant den Heiligen Raum betritt und seine Gewänder anlegt, spricht er die ersten Vorbereitungsgebete, wendet sich dann nach Westen und verbeugt sich vor dem Volk und das Volk erwidert seine Verbeugung. In meiner eigenen Gemeinde in Oxford ist zu diesem Zeitpunkt noch niemand eingetroffen und so erwidern nur die Engel meine Verbeugung.

 

Dann, direkt vor dem Großen Einzug, wendet sich der Zelebrant noch einmal nach Westen und verbeugt sich, in der Königstür stehend, vor dem Volk und das Volk antwortet, indem es sich vor ihm verbeugt.

 

Noch ein drittes Mal - direkt vor der Priesterkommunion - verbeugt sich der Zelebrant vor dem Volk und das Volk erwidert ebenfalls die Verbeugung. Was bedeuten diese dreimaligen gegenseitigen Verbeugungen? Sind sie lediglich ein Austausch von Höflichkeiten? Nein, es ist weit mehr als das. Wenn der Zelebrant sich vor dem Volk verbeugt, sagt er laut oder im Herzen "vergebt mir", und wenn das Volk die Verbeugung erwidert sagt es ebenfalls laut oder im Herzen "vergib uns", und beide sagen innerlich oder laut "Gott möge vergeben".

 

Dieses dreifache gegenseitige Vergeben ist grundlegend für unser Verständnis der Göttlichen Liturgie. Ohne gegenseitiges Vergeben kann es im wahren und tieferen Sinn keine vollständige Eucharistiefeier geben. Wenn wir die Reise in die Liturgie nicht in einem Geist der Vergebung beginnen, ist ihr gemeinschaftlicher Charakter, ihre Sobornost', schmerzlich beeinträchtigt, denn dann hört der Gottesdienst auf, ein Ausdruck der Liebe zwischen Personen zu sein. Der Priester braucht die Vergebung des Volkes und das Volk braucht seine; beide können nicht ohne einander handeln.

 

Das Wesen der Eucharistie als Akt gegenseitigen Vergebens wird in schöner Weise ausgedrückt durch den großen Propheten des 18. Jahrhunderts, William Blake:

 

Bis in alle Ewigkeit

Vergebe ich dir, vergibst du mir,

wie unser teurer Erlöser sagte:

dies ist der Leib, dies das Brot.

 

 

2.: Die Wechselseitigkeit der Eucharistiefeier wird noch ausdrücklicher angezeigt unmittelbar vor dem Glaubensbekenntnis, wenn der Diakon ruft: "Lasst uns einander lieben, damit wir eines Sinnes bekennen ... ", und das Volk antwortet: "Vater, Sohn und Heiliger Geist, die wesensgleiche und unteilbare Dreiheit". Ohne Zusammengehörigkeit in gegenseitiger Liebe kann es kein wahres Glaubensbekenntnis zu Gott als Trinität geben und keine wahre Feier der Göttlichen Liturgie.

 

"Der gemeinschaftliche Geist der Eucharistie ist ebenso sichtbar im Dialog unmittelbar vor der Anaphora: "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus ... Erheben wir die Herzen ... Lasst uns Dank sagen ... würdig ist es und gerecht". In den Worten des hl. Johannes Chrysostomos: "Wenn wir die eigentliche Zelebration der furchtbaren Mysterien beginnen, betet der Priester für das Volk und das Volk betet für den Priester, denn die Worte 'und deinem Geiste' bedeuten genau dies. Alles in der eucharistischen Danksagung wird gemeinschaftlich geteilt. Denn der Priester bringt die Danksagung nicht allein dar, sondern das ganze Volk tut es mit ihm zusammen. Denn nachdem er ihren Gruß erwidert hat, geben sie ihre Zustimmung und antworten: 'Würdig ist es und gerecht', und dann erst beginnt der Priester mit der eucharistischen Danksagung."

 

Wenn man den Gedankengang von Johannes Chrysostomos weiterentwickelt, könnte man sagen, dass der Zelebrant sogar die Laien um Erlaubnis bittet, bevor er die Anaphora vorträgt, und bevor diese Erlaubnis nicht gegeben wird - "würdig ist es und gerecht" - kann er nicht weiterzelebrieren. Das Gebet der Darbringung ist das des Priesters wie auch des Volkes und darum ist die aktive Zustimmung des Volkes unverzichtbar.

 

Wenn alles, was bis hierher über die gemeinschaftliche Natur der Liturgie gesagt wurde, stimmt, stellt sich die Frage: Wie könne wir Orthodoxe heute die aktive Teilnahme der Laien an der Eucharistiefeier steigern? Häufige Kommunion ist offensichtlich ein Weg, unser Gefühl von dynamischer Einbeziehung zu verstärken. Wäre es nicht auch hilfreich, den Gemeindegesang viel mehr als bisher wieder einzuführen - jedenfalls an bestimmten Stellen des Gottesdienstes? Sollte nicht der Friedenskuss vor dem Glaubensbekenntnis nicht nur unter den Zelebranten, sondern unter allen Gemeindemitgliedern ausgetauscht werden, wie es in der Alten Kirche Brauch war? Sollte nicht die ganze Gemeinde das dreifache Amen am Ende der Epiklese wiederholen? Ich bin sicher, dass meinen heute hier anwesenden Zuhörern viele weitere Möglichkeiten einfallen.

 

Ehre sei Gott in den Höhen und auf Erden Friede

 

Wir wollen tiefer in den eigentlichen Sinn der Göttlichen Liturgie eindringen und uns auf zwei Sätze gleich am Anfang des Gottesdienstes direkt vor dem Eingangssegen konzentrieren. Das wird uns zu einem rechten Verständnis alles Folgenden führen.

 

Wenn die Vorbereitung der Gaben abgeschlossen ist, steht der Priester vor dem Altar und sagt mit erhobenen Händen: "Ehre sei Gott in den Höhen und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen." Diese Worte wurden von den Engeln bei der Geburt des Heilands gesprochen und erinnern uns daran, dass jede Feier der Liturgie nichts anderes ist als Weihnachten (ebenso ist jede Feier der Liturgie Golgatha und Pascha). Noch genauer weisen diese Worte auf die zwei Ebenen hin, auf denen die Göttliche Liturgie gefeiert wird: Im Himmel "in den Höhen" und hier unten "auf Erden". Wir wollen diese beiden Ebenen vergleichen:

 

Liturgie auf Erden Himmlische Liturgie
- an bestimmten Orten
- als Ergebnis in der Zeit
- durch Worte und Gesten
- wörtlich
Klerus und Volk bringen Brot und Wein dar
- überall
- ewig
- stil
- ontologisch
- Christus bringt sich selbst dar

 

Was dann bei der Epiklese in der Anaphora geschieht, ist, dass diese beiden Ebenen der Liturgie sich vereinigen: unser Opfer wird angenommen in das Selbstopfer Christi und mit ihm gleichgesetzt; Brot und Wein werden auf diese Weise Leib und Blut Christi. Ebenso wahr ist es zu sagen, dass sowohl wir in den Himmel aufsteigen als auch der Himmel zur Erde herabkommt, denn die Begriffe "oben" und "unten" sind metaphorisch und in ihrer Bedeutung gleich, egal welche Metapher gebraucht wird.

 

Die beste und tiefsinnigste Beschreibung der Göttlichen Liturgie ist deshalb, sie als "Himmel auf Erden" zu beschreiben. In den Worten des hl. Germanos von Konstantinopel am Beginn seines Kommentars zur Göttlichen Liturgie: "Die Kirche ist ein irdischer Himmel, in dem der himmlische Gott wohnt und (sich) bewegt." Als die russischen Botschafter Vladimir von dem Gottesdienst berichteten, den sie in der Hagia Sophia besucht hatten, sagten sie: "Wir wussten nicht, ob wir im Himmel oder auf der Erde waren."

 

Die liturgische Funktion der Heiligen Ikonen besteht genau darin, in der Kirche ein Gefühl von Himmel auf Erden zu schaffen. Durch die Ikonen werden die Glieder der himmlischen Kirche zu aktiven Teilnehmern an unserem Gottesdienst auf Erden, während die Wände des Kirchengebäudes sich zur Ewigkeit hin öffnen. Um einen Ausdruck zu benutzen, der im "Leben des Heiligen Stephan des Jüngeren" vorkommt: "Die Ikone ist eine Tür", ein Mittel zum Eintritt in das Himmlische Königreich, in das kommende Äon.

 

Die Einheit von himmlischer und irdischer Liturgie ist bildlich dargestellt in einer Szene, die manchmal als Fresco in der Kuppel von byzantinischen Kirchen zu sehen ist. Was wir sehen ist eindeutig eine Darstellung des Großen Einzugs: Gestalten in den Gewändern von Diakon und Priester tragen die Gaben, die mit Tüchern bedeckt sind, während andere, als Subdiakone gekleidete Gestalten Prozessionsleuchter und liturgische Fächer halten; am Eingang zum Heiligen Raum erwartet sie der bischöfliche Zelebrant. Aber wenn wir genauer hinschauen sehen wir, dass die Gestalten, die wie Subdiakone, Diakone und Priester gekleidet sind, alle Engel sind und der bischöfliche Zelebrant Christus selbst ist. Wie wir auch beim Großen Einzug in der Liturgie der Vorgeweihten Gaben versichern: "Jetzt dienen die himmlischen Mächte unsichtbar mit uns."

 

Bei jeder Feier der Göttlichen Liturgie wollen wir daher in unseren Herzen sagen: Dies ist der Himmel auf Erden; wir, die sichtbare Gemeinde, sind einbezogen in eine Handlung, die viel größer ist als wir allein; wir sind auf mystische Weise beim Gottesdienst der Kirche im Himmel anwesend. Mit uns betet die gesamte Kirche: Heilige, Engel, Gottesgebärerin, Christus selbst.

 

Der unsichtbare Zelebrant

 

Nachdem der zelebrierende Priester die Worte gesprochen hat, über die wir hier schon nachgedacht haben "Ehre sei Gott in den Höhen ...", sagt der Diakon zum Priester: "Es ist Zeit für den Herrn zu handeln". Dies ist ein weiterer Schlüsselsatz, der uns hilft, die ganze Bedeutung der Göttlichen Liturgie zu erfassen. Die Worte, die hier im Griechischen gebraucht werden, können allerdings auf zweierlei Weise übersetzt werden. Sie können wiedergegeben werden, wie ich sie jetzt gerade übersetzt habe: "Es ist Zeit für den Herrn zu handeln", aber viele Übersetzungen der Liturgie geben das Griechische genau gegenteilig wieder: "Die Zeit ist gekommen, den Dienst am Herrn zu beginnen" oder etwas sinngemäßes. Der Satz ist ein Zitat aus Psalm 118 (119), Vers 126, und die meisten Bibelübersetzungen geben die erste Version wieder und nicht die zweite. Ich persönlich ziehe die erste Möglichkeit vor; sie liefert eine tiefere und stärkere Bedeutung.

 

"Es ist Zeit für den Herrn zu handeln". Hieraus lernen wir, dass die Göttliche Liturgie nicht nur aus Worten besteht, sondern eine Handlung ist, und zwar nicht so sehr unsere Handlung, sondern die des Herrn. Der wahre Zelebrant bei jeder Eucharistie ist immer Christus, der unsichtbare Priester; wir, der Klerus und das Volk, sind nicht mehr als seine Konzelebranten. Diese Wahrheit wird nachdrücklich betont im Gebet, das der Zelebrant während des Cherubim-Hymnus spricht: "Du bist der Darbringer und der Dargebrachte." Christus ist sowohl der Opfernde als auch die Gabe, sowohl Priester als auch Opfer.

 

 

Die unmittelbare Anwesenheit Christi in der Eucharistie kommt auch zum Ausdruck im Gruß, den die Zelebranten beim Friedenskuss austauschen: "Christus ist in unserer Mitte." Es ist diese Auffassung von Christus als dem wahren Zelebranten bei jeder Liturgie, die uns sowohl die Bedeutung der eucharistischen Weihe als auch den Opfercharakter der eucharistischen Handlung verstehen lässt.

 

Lasst uns also bei jeder Feier der Göttlichen Liturgie zu uns selbst sagen: Mit den Augen meines Herzens sehe ich unseren Herrn Jesus Christus selbst vor dem Altar stehen; es ist Seine Hand, die Brot und Wein segnet; es ist Seine Hand, die ausgestreckt ist, um mir die Heilige Kommunion zu geben.

 

 

Die Eucharistie als Pfingsten

 

Bis jetzt haben wir uns hauptsächlich über den christologischen Charakter der Göttlichen Liturgie Gedanken gemacht. Nun ist es an der Zeit, dass wir auch die pneumatologische Dimension des Gottesdienstes beleuchten. In unserer Sakramentaltheologie, wie in jedem Teil christlicher Lehre, müssen wir "Christomonismus" vermeiden. "Denk niemals an den Sohn ohne den Heiligen Geist", sagte der hl. Gregor von Nyssa. Der hl. Irenäus von Lyon spricht vom Sohn und vom Heiligen Geist als den zwei Händen Gottes, des Vaters, und der Vater benutzt stets seine beiden Hände gleichzeitig. Das christliche Leben wird in gleicher Weise gelebt unter dem Zeichen des Kreuzes und dem Sigel von Pfingsten; es ist ein Teilhaben sowohl am blutigen und glorreichen Pascha Christi als auch an den Feuerzungen am 50. Tag.

 

Dies gilt ebenso für die Eucharistie. Sie ist das Sakrament des Obergemachs - des Obergemachs des letzten Abendmahls, aber genauso des Obergemachs von Pfingsten. Wie wir bei der Eucharistie bekennen, gibt es zwei Arten von "wirklicher Anwesenheit": eine wirkliche Präsenz von Leib und Blut Christi, aber ebenso eine reale Präsenz des Heiligen Geistes, eine Anwesenheit, die anders ist - denn der Heilige Geist wurde nicht Mensch und ist daher nicht Fleisch und Blut - aber deswegen nicht weniger unmittelbar. So gibt es also auch in der Eucharistie zwei Formen der Kommunion: Kommunion in Christus, aber auch Kommunion im Heiligen Geist (vgl. 2. Kor 13, 13).

 

Es gibt vier Momente in der Göttlichen Liturgie, wo die Anwesenheit und Wirkung des Heiligen Geistes besonders zum Ausdruck kommen:

 

1.: Nach dem Großen Einzug sagt der Diakon zum Priester, indem er die Worte des Erzengels bei der Verkündigung (Lukas 1, 35) benutzt: "Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten. " Der Priester antwortet: "Der Heilige Geist Selbst wird mit uns die Liturgie vollziehen alle Tage unseres Lebens." Das ist eine eindrucksvolle Vorstellung, die wir uns besser ständig ins Gedächtnis rufen: In der Göttlichen Liturgie ist der Heilige Geist unser Sylleitourgos, unser Mit-Priester, unser Konzelebrant

 

2.: Der Höhepunkt der Mitwirkung des Heiligen Geistes an der Göttlichen Liturgie ist natürlich die Epiklese. Sie ist ein trinitarisches Gebet, in dem wir den Vater bitten, den Heiligen Geist auf Brot und Wein herabzusenden, um sie zu Leib und Blut Christi zu machen. Also ist derjenige, der die Gaben weiht, nicht der Priester, noch Priester und Volk zusammen, sondern der Heilige Geist. Der hl. Johannes von Damaskus erklärt die Natur der eucharistischen Weihe, indem er nur dies sagt: "Wenn du fragst: wie? musst du dich mit der Antwort zufrieden geben: durch den Heiligen Geist." Es ist die besondere Funktion des Heiligen Geistes, die Gegenwart Christi zu einer lebendigen und fortwährenden Realität in der Kirche zu machen (vgl.: Johannes 16, 13-14). Dies tut der Heilige Geist während des ganzen christlichen Lebens, aber besonders bei der Weihe in der Eucharistie.

 

3.: Die Anwesenheit des Parakleten wird ebenso direkt vor der Priesterkommunion angezeigt. Indem er ein Stück des geweihten Brotes in den Kelch legt, spricht der Zelebrant: "Die Fülle des Heiligen Geistes". Dann gießt der Diakon heißes Wasser in den Kelch und verweist wiederum auf die dritte Person der Trinität: "Glut des Glaubens, voll des Heiligen Geistes. "

 

4.: Zum Schluss, in der Danksagung nach der Kommunion singt das Volk: "Wir haben das wahre Licht geschaut, den himmlischen Geist empfangen." Indem wir Christus empfangen, empfangen wir gleichzeitig den Heiligen Geist. Dieser Punkt wird ganz deutlich in einer Auseinandersetzung, die sich in Konstantinopel um 1440 abspielte, kurz vor dem Fall des Byzantinischen Reiches. Einige Priester fügten der gebräuchlichen Kommunionformel: "Anteil gegeben wird dem Knecht (der Magd) Gottes N. am kostbaren und allheiligen Leib und Blut ..." noch die Worte hinzu: "Empfange den Heiligen Geist". Das führte zu Streitigkeiten, und der hl. Markus von Ephesus wurde gebeten zu vermitteln. Er antwortete, dass in der Tat der Zusatz theologisch korrekt sei, denn indem wir Christus empfangen empfangen wir auch den Heiligen Geist. Aber er fügte hinzu, dass diese Einschiebung liturgisch nicht gerechtfertigt sei; es sei nicht richtig, die traditionellen Formulierungen der Liturgie zu ändern.

 

Wenige haben die Anwesenheit des Heiligen Geistes in der Eucharistie mit größerer Beredsamkeit ausgedrückt als der hl. Ephraim der Syrer:

 

Siehe, Feuer und Geist in dem Leib, der Dich trug,

Siehe, Feuer und Geist in dem Fluss, in dem Du getauft wurdest,

Feuer und Geist auch in unserer Taufe,

im Brot und im Kelch Feuer und Heiliger Geist.

In Deinem Brot versteckt ein Geist, der nicht verzehren wird,

in Deinem Wein wohnt ein Feuer, das nicht getrunken wird.

Geist in Deinem Brot, Feuer in Deinem Wein,

ein unerhörtes Wunder und doch von unseren Lippen empfangen.

 

Vollkommene Liebe

 

So ist also der wahre Charakter der Göttlichen Liturgie: Sie ist eine gemeinschaftliche Handlung; eine Handlung, die gleichzeitig irdisch und himmlisch ist; die Handlung des Herrn; die Handlung des Heiligen Geistes.

 

Wir haben begonnen mit der Feststellung des hl. Johannes von Kronstadt: "Die Eucharistie ist ein fortwährendes Wunder." Wir wollen schließen mit einer anderen seiner Aussagen: "In den Worten 'nehmet, esset ... trinket' ist der Abgrund der Liebe Gottes für die Menschheit enthalten. Vollkommene Liebe! Alles umfassende Liebe! Unwiderstehliche Liebe! Was sollen wir Gott aus Dankbarkeit für diese Liebe geben?"

 

Quelle: http://www.kokid.w-srv.net

 

 

1. Teil  der Vortragsreihe - 29. Mai 2016

 

Einleitung:

 

Allgemeines zur Geschichte und Theologie der Göttlichen Liturgie, die Eingangsgebete, die Bedeutung der Gewänder der Liturgen

 

  

Der wichtigste Gottesdienst in der orthodoxen Kirche ist die Göttliche Liturgie (Η Θεία Λειτουργία). In ihr vollzieht sich das große Sakrament der Verwandlung von Brot und Wein in den Kostbarer Leib und das Allheilige Blut unseres Herrn und Gottes Jesus Christus und die Kommunion der Gläubigen an diesen heiligen Gaben.

 

Liturgie bedeutet in der Übersetzung aus dem Griechischen „gemeinsames Tun“.

 

Sie ist:

 

-das gemeinsame Werk des versammelten Volkes Gottes (= der Kirche)

 

- Die Kirche ist eucharistische Versammlung

 

- Sie ist um den Bischof als Ikone und Stellvertreter Christi versammelt

 

- ist der Bischof nicht anwesend, so vertritt ihn der für diesen Altar beauftragte Priester

 

- um den Liturgen ist das betende Volk Gottes versammelt (Gläubigen, Laien)

- Der Liturg leitet das Gebet des Gottesvolkes und vollzieht die sakramentale Darbringung

 

- Liturg und Laien bilden die Kirche und bringen gemeinsam Gott die Liturgie als Lob und Dankopfer dar

 

- Der eigentliche Liturg ist Christus Selbst

 

- wir treten bei der Feier der Göttlichen Liturgie auf Erden zur ewigen himmlischen Liturgie, die die Engel und   Heiligen mit Christus im Himmel vollziehen hinzu (Cherubim-Hymnus: Die wir im Mysterium die Cherubim darstellen...)

 

 

Die Gläubigen versammeln sich in der Kirche um die Liturgen, um zusammen "mit einem Mund und mit einem Herzen" Gott zu verherrlichen und die Heiligen Geheimnisse Christi zu feiern und zu empfangen.

 

Sie folgen dem Beispiel der heiligen Apostel und des HERRN Selbst, die, als sie sich am Vorabend des Verrates und des Kreuzesleidens des Herrn zum Letzten Abendmahl versammelt hatten, aus dem Kelch tranken und das Brot aßen, das Er ihnen gab, und in Ehrfurcht Seine Worte hörten: „Dies ist mein Leib…“ und „Dies ist mein Blut…“

 

 

Christus hat seinen Aposteln aufgetragen, dieses Sakrament zu feiern

die Apostel lehrten dies ihre Nachfolger - die Bischöfe und auch die Priester.

 

Zuerst hieß dieses Sakrament Danksagung -Eucharistie (Θεία Ευχαριστία).

 

Der öffentliche Gottesdienst, bei dem die Eucharistie gefeiert wird, heißt Liturgie (vom griech. leitos -allgemein, öffentlich und ergon -Dienst, Tun). So ist nach der Lehre der heiligen Väter die Göttliche Liturgie der öffentliche Dienst des Volkes Gottes vor Gott (Θεία Λειτουργία: ἔργον τοῦ λαοῦ τοῦ Θεοῦ)

 

In den ersten Zeiten des Christentums wurde die Ordnung der Liturgie mündlich überliefert, die Gebete und die heiligen Handlungen wurden auswendig gelernt, danach erst entstand die schriftliche Überlieferung.

 

Mit der Zeit wurde die Göttliche Liturgie durch verschiedene Gebete und Gesänge ergänzt. Schließlich schrieb der heilige Basileius der Große im IV. Jahrhundert, die Ordnung der Liturgie nieder, wie sie im Patriarchat von Konstantinopel gebräuchlich war. In der Kirche von Rom, von Alexandrien, von Antiochien, von Jerusalem, in Armenien und Äthiopien gab es eigene liturgische Ordnungen. Der heilige Johannes Chrysostomus verkürzte diese Ordnung. Die Grundlage der liturgischen Ordnung in Konstantinopel war die Liturgie des heiligen Apostels Jakobus, des ersten Bischofs von Jerusalem. Sie war auch in der Kirche von Antiochien in Gebrauch.

 

 

Der Aufbau der Liturgie ist folgender:

 

- Zuerst werden die eucharistischen Gaben vorbereitet

 

-Dann bereiten sich die Gläubigen auf die Feier der Mysterien und den Empfang des Sakramentes durch Gebet und das Hören des Wortes Gottes vor.

 

Schließlich wird das Sakrament selbst gefeiert und die Kommunion gespendet.

 

So teilt sich die Göttliche Liturgie in drei Teile, die folgendermaßen genannt werden:

 

1) Proskomidie

 

2) Liturgie der Katechumenen

 

3) Liturgie der Gläubigen

 

 

Struktur der Göttlichen Liturgie

 

Die Proskomidie – die Vorbereitung auf die Liturgie

 

A. Vorbereitung der Liturgen

 

- Gebet vor den Heiligen Türen

- Begrüßung der Ikonen Eintritt in den Altarraum

- Ankleiden der Liturgen

- Handwaschung

 

B. Bereitung der Gaben

 

1. Schlachtung des Lammes

2. Gedächtnis der Heiligen, der Lebenden und Verstorbenen

3. Beräucherung und Verhüllung der Gaben

4. Bereitungsgebet

5. Schlußgebet

 

Übergang zur Liturgie

 

Liturgie der Katechumenen

 

A. Eröffnung

 

1. Einleitungsgebet

2. Großes Bittgebet

3. Erste Antiphon

4. Kleines Bittgebet

5. Zweite Antiphon

6. Kleines Bittgebet

7. Dritte Antiphon

 

B. Kleiner Einzug

 

C. Gesänge und Lesungen

 

1. Gesänge - Troparien & Kondakien

2. Trisagion – Dreimalheilig

3. Kleiner Einzug = Zeremonie der feierlichen Inthronisierung des Evangeliars auf dem Altar

4. Schriftlesungen

 

D. Ektenie und Entlassung der Katechumenen

 

1. Ektenie

2. Gebet für die Katechumenen

3. Entlassung der Katechumenen

 

Liturgie der Gläubigen

 

A. Gebet der Gläubigen

 

1. Erstes Gebet

2. Zweites Gebet

 

B. Großer Einzug

 

1. Vorbereitung

2. Prozession mit den Gaben

3. Dialogisches Gebet der Liturgen

C. Ektenie und Gebet der Darbringung

 

D. Friedenskuß

 

E. Das Glaubensbekenntnis

 

F. Die heilige Anaphora

 

1. Einleitungsdialog

2. Eucharistisches Gebet

3. Einsetzungsworte

4. Anamnese

5. Epiklese

6. Fürbitten – Diptychen

 

G. Vorbereitung auf die Kommunion

 

1. Ektenie

2. Vater unser...

3. Inklinationsgebet

4. Erhebung

5. Brechung

6. Einigung

7. Beigabe des heißen Wassers

 

H. Kommunion

 

1. Kommunion der Liturgen

2. Kommunion der Gläubigen

 

I. Danksagung

 

J. Segen und Entlassung

 

1. Gebet hinter dem Ambo

2. Segen

3. Entlassung

4. Austeilung des gesegneten Brotes

 

K. Dankgebete nach der Kommunion

 

 

Die Göttliche Liturgie:

 

Die orthodoxe Liturgiefeier hat die apostolische Tradition besonders treu bewahrt. Allerdings hat es im christlichen Osten auch bemerkenswerte Eigenentwicklungen gegeben, die im heutigen Aufbau der Feier unserer Göttlichen Liturgiefeier zum Ausdruck kommen.

 

So geht den Lesungen heute ein längerer Eröffnungsteil voraus. Ursprünglich war die Feier der Göttlichen Liturgie mit der Nachtwache oder zumindest dem Morgengottesdienst verbunden. Nach diesem nächtlichen Gottesdienst zogen die Gläubigen in einer Prozession zu der Kirche, in der der Patriarch dann die Liturgie feiern würde. Dabei sangen der Chor und das Volk im Wechsel die Psalmen mit den dazugehörigen Antiphonen. In der Kirche hatten die Priester vor den Altarschranken die Eingangsgebete gesprochen, die liturgischen Gewänder im Diakonikon, einer Apsiskapelle rechts vom Altarraum, angelegt und in der Prothesis, einer Apsiskapelle links vom Altarraum, die Vorbereitung der Gaben von Brot und Wein vollzogen. Das Volk erwartete den Patriarchen im Narthex. Bei seinem Eintreffen wurde ihm das Evangelienbuch vom Altar aus zum Kuss entgegengetragen. Danach zog der Patriarch gefolgt vom Volk in die Kirche unter dem Gesang des Einzugliedes (Introitus) ein:

 

„Kommt, lasset uns anbeten und niederfallen vor Christus, errette uns, Sohn Gottes, der Du von den Toten auferstanden bist, die wir Dir singen: Halleluja.“

 

Der Patriarch nahm dann seinen Platz auf der Solea vor der Bema, einem großen Ambon, umgeben von den übrigen Liturgen ein und die Liturgiefeier begann mit seiner feierlichen Ankleidung in die liturgischen Gewänder gefolgt vom Gesang des Trishagion: 

 

„Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, erbarme Dich unser.“

 

Zwischen dem 7. und 14. Jahrhundert entwickelte sich dann die Liturgie zu ihrer heutigen Form. Der ehemalige Prozessionsteil entwickelte sich zur heutigen Eröffnungsfeier. Sie besteht aus Fürbittgebeten, Priestergebeten und Antiphonen beziehungsweise Psalmen. Sie soll uns auf das Hören des Wortes Gottes vorbereiten. Dieser geht, wie in altchristlicher Zeit die Vorbereitung der Liturgen durch die Eingangsgebete, die sie vor dem  Ikonostas sprechen, das Anlegen der liturgischen Gewänder im Diakonikon und die Proskomidie voraus. Während der Proskomidie liest ein Leser in der Kirche die Dritte und die Sechste Stunde. Die Prothesis ist heute meist keine vom Altarrraum abgetrennte Kapelle mehr, sondern ein Tisch an der linken Seite des Altarraums. Dort vollzieht der Priester die Proskomidie, die Vorbereitung der Gaben von Brot und Wein. Dabei wird das in der orthodoxen Kirche benutzte, gesäuerte Opferbrot (Prosphore) in vorgeschriebener Weise geschnitten und die Gedankpartikel werden in genau festgelegter Form auf die Patene (Diskos), eine mit einem Fuß versehene Brotschale gelegt. In der Mitte befindet sich ein großes, viereckiges Brotstück, das „Lamm“ genannt wird. Nur dieses Partikel wird während der Göttlichen Liturgie durch das Gebet der Epiklese in den Heiligen Leib Christi verwandelt. Die orthodoxe Kirche glaubt fest daran, dass sich diese sakramentale Verwandlung während der Feier der Göttlichen Liturgie durch das Wirken des Heiligen Geistes vollzieht. Wie sich dieses vollzieht, bleibt ein Geheimnis (Mysterion), das sich unserem beschränkten rationalen Verstehen entzieht. Jedoch wissen wir aus dem heiligen Evangelium und den apostolischen Briefen, dass es sich wirklich ereignet. Insofern können wir dieses sakramentale Geheimnis vollziehen, wie es unser Herr Jesus Christus Selbst angeordnet hat, wir können es anbetend betrachten und wir können es im Glauben empfangen. Nach dem orthodoxen Glaubensverständnis bedeutet ein würdiger Empfang der heiligen Kommuinion zunächst einmal:

 

• Das sakramentale-geheimnisvolle Geschehen, dass durch die Feier der Göttlichen Liturgie der Wahre Leib und das Kostbare Blut des Herrn gegenwärtig wird und von uns in der heiligen Kommunion empfangen wird, zu glauben.

 

• Unsere existentielle Bedürftigkeit, das Brot der Engel zu empfangen, demütig anzuerkennen.

 

• Aus diesem Glauben praktische Konsequenzen zu ziehen und uns durch Gebet und Fasten auf den Empfang der Heiligen Gaben vorzubereiten.

 

• Uns durch den Empfang der heiligen Kommunion verwandeln (vergöttlichen) zu lassen. Dies ist kein passiver oder magischer Prozess, sondern verlangt von uns die Bereitschaft, die Wirkung des Empfangs der heiligen Kommunion in unserem Leben zu aktualisieren, das bedeutet, auch ein Leben aus der Gemeinschaft mit unserem HERRN Jesus Christus zu führen und Seinen lebensschaffenden Weisungen, die ER uns in Seinem heiligen Evangelium und durch die Auslegung der Kirche  geoffenbart hat, zu folgen.

 

Während der Proskomidie wird nicht nur das Opferbrot vorbereitet, sondern auch der der Kelch mit Wein und Wasser gefüllt. Schließlich werden beide Gefäße mit eigens dafür vorgesehenen Decken verhüllt. All dies wird von Gebeten und Texten der Heiligen Schrift, die das Handeln des Liturgen deuten, begleitet.

 

Nach der Proskomidie werden die Königlichen Türen geöffnet und mit einem feierlichen Segen beginnt die Göttliche Liturgie. Die Eröffnungsfeier mit ihren Fürbittgebeten, Priestergebeten und Antiphonen, beziehungsweise Psalmen soll uns auf das Hören des Wortes Gottes vorbereiten. Wie wir das Wort Gottes während der Göttlichen Liturgie hören sollen, damit es in unseren Herzen Wohnung nehmen und in unserem Leben Frucht bringen kann, verdeutlicht das Gebet, das der Priesters vor der Verkündigung des heiligen Evangeliums spricht: 

 

„Lass leuchten in unseren Herzen, menschenliebender Gebieter, das unvergängliche Licht Deiner Gotteserkenntnis und öffne die Augen unseres Verstandes zum Verständnis der Botschaft Deines Evangeliums. Gib uns auch die Furcht vor Deinen seligmachenden Geboten ein, damit wir alle fleischlichen Begierden niedertreten, einem geistlichen Lebenswandel nachgehen und alles zu Deinem Wohlgefallen sinnen und tun. Denn Du bist die Erleuchtung unserer Seelen und Leiber, Christus Gott, und Dir senden wir die Verherrlichung empor, samt Deinem anfanglosen Vater und Deinem allheiligen und guten und lebenschaffenden Geiste, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

 

Die Liturgie des Wortes und der Eröffungsteil werden „Liturgie der Katechumenen“ genannt. Der Wortgottesdienst mit seinen Gesängen und Lesungen, wird durch den "Kleinen Einzug" eingeleitet. Beim Kleinen Einzug trägt der Diakon in Begleitung des Priesters  das Evangelienbuch feierlich vom Altarraum durch die nördliche Tür des Ikonostas in die Mitte der Gemeinde. Unter dem Gesang:

 

„Kommt, lasset uns anbeten und niederfallen vor Christus, errette uns, Sohn Gottes, der Du von den Toten auferstanden bist, die wir Dir singen: Halleluja.“

 

Dann wird das Evangeliar von der Solea durch die Königliche Tür zum Altar getragen. Der Kleine Einzug stellte ursprünglich den Beginn der Göttlichen Liturgie dar, bei dem der Bischof das Kirchenschiff vom Nartex aus betrat und zugleich das Evangelienbuch mitgeführt wurde. Dies ist auch heute noch in der vom Bischof gefeierten Liturgie erkennbar, wenn der Bischof, der sich bis zu diesem Augenblick nach der feierlichen Ankleidung auf seinem Thron in der Mitte der Gemeinde aufhielt, beim Kleinen Einzug das Evangelienbuch verehrt und dann in den Altarraum einzieht.

 

Auf die Liturgie des Wortes folgt die „Liturgie der Gläubigen“. Auch sie beginnt wiederum mit einem Einzug, dem „Großen Einzug“. Beim Großen Einzug werden die in der Prokomidie vorbereiteten Gaben von der Prothesis durch die nördliche Türe des Ikonostas auf die Solea und von dort durch die Königliche Tür auf den Altar übertragen.

 

Der Große Einzug wird umrahmt vom Gesang des Cherubim-Hymnus:

 

„Die wir die Cherubim im Mysterium abbilden, und die wir der lebenschaffenden Dreieinheit den Hymnus des Dreimalheilig singen, lasset uns nun ablegen alle irdische Sorge.“

 

Während des Großen Einzugs wird vom Liturgen ein Gebet vorgetragen, in dem des Patriarchen, Ortsbischofs, aller Priester, Diakone, Mönche, des Staatsoberhauptes, des Volkes, der Stifter und Wohltäter der Kirche, und aller lebenden und verstorbenen Gläubigen gedacht wird. Nachdem die Gaben auf dem Altar niedergestellt wurden, schließt das Cherubikon:

 

„Damit wir empfangen den König des Alls, der unsichtbar geleitet wird von den Ordnungen der Engel. Alleluïa, Alleluïa, Alleluïa.“

 

Auf den Großen Einzug folgen nach weiteren Gebeten der Friedenskuss und das Glaubensbekenntnis. Den Höhepunkt der Göttlichen Liturgie bildet der Vollzug der Anaphora, des

großen eucharistischen Opfer- und Darbringungsgebetes über die vorbereiteten Gaben. Nach orthodoxer Lehre ist die Feier der heiligen Eucharistie das große Lob- und Dakopfer für alle Heilstaten Gottes, insbesondere für das Erlösungswerk Jesu Christi von Seiner Empfängnis an bis zur Sendung des Heiligen Geistes an Pfingsten.

 

Die Anaphora beginnt mit der Segensformel: „Würdig ist es und recht, Dich zu preisen, Dich zu segnen, Dich zu loben, Dir Dank zu sagen und Dich anzubeten an jedem Orte Deiner Herrschaft….“ Dem Gebet folgt dann - gleichlautend mit allen altkirchlichen Liturgien - einen Dialog zwischen Priester und Gemeinde, der eine feierliche Aufforderung, die Herzen zu erheben und dem Herrn dank zu sagen, einschließt. Das Dankgebet preist das Heilswirken Gottes an den Menschen und leitet am Ende des ersten Teils zum Siegeslied der Engel in den Himmeln über:

 

„Heilig, heilig, heilig, Herr Sabaoth. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in den Höhen. Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in den Höhen.“

 

Der zweite Teil der Anaphora  verkündet die Heiligkeit Gottes und Seine Liebe, die IHN Seinen Sohn dahingeben ließ, „damit jeder, der an IHN glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe.“ Er schließt die Herrenworte über Brot und Wein ein, die jeweils von der Gemeinde mit „Amen“ beantwortet werden. Der dritte Teil der Anaphora  enthält die Anamnese, das Gedenken an die Heilstaten Christi. Dabei werden auch das Kreuz, das Grab, die Auferstehung am dritten Tage, die Himmelfahrt, das Sitzen zur Rechten des Vaters und die künftige Wiederkunft in Herrlichkeit erwähnt. Diese Heilstaten werden für uns durch die Gegenwart des HERRN in den gewandelten Gaben gegenwärtig. Mit diesem Gedächtnis der Heilstaten Christi ist deshalb auch die Darbringung der Opfergaben von Brot und Wein verbunden: „ ... bringen wir Dir dar das Deine vom Deinigen in Allem und für Alles“. Die Gemeinde antwortet darauf mit dem Lobpreis:„Dich loben wir, Dich preisen wir, Dir danken wir, oh Herr, und beten zu Dir, unserm Gott“. 

 

An die Anamnese schließt dann unmittelbar die Epiklese an. Die Epiklese ist ein Gebet zu Gott, dem Vater, dass ER Seinen Heiligen Geist auf vorliegenden Gaben und auch auf die Gemeinde herabsende und die Gaben durch das Wirken des Heiligen Geistes in den Wahren Leib und das Kostbare Blut unseres HERRN; ERLÖSERS UND GOTTES JESUS CHRISTUS verwandle. 

 

So ist es der Heilige Geist, der Durch Seine Kraft in den Mysterien (Sakramenten) der Kirche die Gegenwart der Gnade Christi bewirkt.

 

Nachdem vor den Gewandelten Allheiligen Gaben aller Heiligen, insbesondere der allheiligen Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria  gedacht und die Fürbitte für die Verstorbenen und die Lebenden gehalten wurde, endet die Anaphora mit einem feierlichen Lobpreis 

 

Der letzte Teil der Liturgie der Gläubigen ist auf den Empfang der heiligen Kommunion ausgerichtet. Deshalb folgen nun Gebete, in denen die Bitte um einen würdigen Empfang der „himmlischen, furchtbaren Mysterien dieses heiligen und geistlichen Tisches“ vor Gott gebracht wird. Danach sprechen wir das Gebet, das Christus uns Selbst gelehrt hat. Nach dem Vater Unser folgt die Aufforderung an die Gläubigen aufzumerken. Der Priester ruft einen jeden der zum Tisch des HERRN hinzutreten will, sich selbst zu prüfen auf (vgl.: ) indem er ruft: „Das Heilige den Heiligen.“ Darauf antwortet die Gemeinde mit dem Bekenntnis: „Einer ist heilig, Einer Herr: Jesus Christus in der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Amen“. Anschließend singt der Chor den Kommunionvers (Koinonikon).

 

Es folgt nun die Brotbrechung wiobei das Lamm in vier Teile zerbrochen und auf die vier Seiten des Dikos gelegt wird. Nun wird der Partikel des eucharistischen Leibes Christi mit dem Aufdruck IC in dem Kelch gesenkt. Danach wird kochendes Wasser zum eucharistischen Blut Christi im Kelch des Heiles gegossen als Zeichen für die Glut des Heiligen Geistes. Dabei spricht der Priester: “Glut des Glaubens, Fülle des Heiligen Geistes. Amen“ 

 

Nun wird die Heilige Kommunion zunächst von den Geistlichen empfangen, währenddessen die Gemeinde den Kommunionvers singt. Haben die Geistlichen jeder ein Stück des Eucharistischen Brotes auf ihre Hände empfangen, so spricht der Priester: „Ich glaube Herr und ich bekenne:“

 

Darauf stimmt die Gemeinde in das Gebet mit ein: „ … dass Du in Wahrheit bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, der in die Welt gekommen ist, die Sünder zu erlösen, von welchen ich der erste bin. Auch glaube ich, dass dieses Dein allerreinster Leib selbst ist, und dass dieses Dein kostbares Blut selbst ist. Deshalb bitte ich Dich: Erbarme Dich meiner und vergib mir meine Übertretungen, die ich absichtlich oder unabsichtlich, in Wort oder Tat, bewusst oder unbewusst begangen habe, und würdige mich, ohne Verdammnis teilzunehmen an Deinem allerreinsten Sakrament zur Vergebung der Sünden und zum ewigen Leben. Amen.

 

Als Teilnehmer an Deinem geheimnisvollen Abendmahl nimm mich heute auf, oh Sohn Gottes, Deinen Feinden will ich das Geheimnis nicht verraten, Dir auch nicht geben einen Kuss wie Judas, sondern Dich bekennen wie jener Räuber: Gedenke meiner in Deinem Reiche.

 

Nicht zum Gericht oder zur Verdammnis möge mir die Teilnahme an deinen Heiligen Mysterien gereichen, sondern zur Heilung von Seele und Leib. Amen.“

 

Nun kommunizieren die Geistlichen mit dem ihnen ausgeteilten Teil des Eucharistischen Leibes Christi. Dieser wurde von dem Teil des Lammes genommen, der den Aufdruck XC trägt. Die Geistlichen kommunizieren erst am Eucharistischen Brot und dann am Kelch des Heiles mit den entsprechenden Gebeten.  

 

Der Zelebrant zerteilt nun die Partikel mit dem Aufdruck NI und KA für die Kommunion der Gläubigen und taucht sie in das eucharistische Blut. Den Kelch bedeckt er sodann mit dem Kelchtuch und legt den Kommunionlöffel darauf. Danach spricht der Priester als Danksagungsgebet seiner eigenen Kommunion aber auch im Namen der Gläubigen: 

 

„Wir danken Dir, menschenliebender Gebieter, Wohltäter unserer Seelen, dass Du uns auch am heutigen Tage Deiner himmlischen und unsterblichen Mysterien gewürdigt hast. Mache gerade unseren Weg, festige uns alle in Deiner Furcht, behüte unser Leben, mach sicher unsere Schritte, auf die Gebete und die Fürsprache der hehren Gottesgebärerin und Immer-Jungfrau Maria und aller Deiner Heiligen. Amen.“ 

 

Mit dem Ruf: „Nahet euch mit Gottesfurcht, Glauben und Liebe!“ beginnt die Kommunion der Gläubigen. Die Gläubigen kommunizieren vor den Königlichen Türen des Ikonostas  am Fuße der Solea mit dem vermischten eucharistischen Gestalten. Währenddessen singt die Gemeinde: „Christi Leib empfanget, trinket aus dem Quell der Unsterblichkeit.“

 

Nach der Kommunion der Gläubigen stellt der Priester den Kelch auf den Altar. Anschließend segnet der Priester die Gemeinde, die jetzt durch die Kommunion zum Leib Christi auf Erden zusammengefügt worden ist, mit den Worten: „Errette, oh Gott, Dein Volk und segne Dein Erbe.“ Danach weihräuchert er dreimal vor den Heiligen Gaben und betet: „Sei erhöht über die Himmel, oh Gott, und über die ganze Erde komme Deine Herrlichkeit.“ Die Gemeinde antwortet: „Gesehen haben wir das wahre Licht, empfangen den himmlischen Geist und gefunden den wahren Glauben, da wir beten die unteilbare Dreieinheit an; denn sie hat uns erlöst.“

 

Priester den Kelch des Heiles mit dem Diskos und dem Weihrauchfass und spricht: „Gesegnet unser Gott“ wendet sich zum Volk und segnet es mit dem Kelch des Heiles: „Allezeit, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.“

 

Darauf singt die Gemeinde:  „Amen. Erfüllt sei unser Mund von Deinem Lob, oh Herr, singen wollen wir von Deiner Herrlichkeit, denn gewürdigt hast Du uns, teilzunehmen an Deinen heiligen, göttlichen, unsterblichen und lebensspendenden Mysterien. Bewahre uns in Deiner Heiligung, dass wir den ganzen Tag uns üben in Deiner Gerechtigkeit. Alleluïa, Alleluïa, Alleluïa."

 

Nachdem Diskos und Kelch zur Prothesis zurückgebracht worden sind, beginnt mit der Danksagung der Schluss der Liturgie. Anschließend bittet der Priester im Gebet vor dem Ambon unter anderem um den Schutz der Gläubigen und um Frieden für die Welt. Die Göttliche Liturgie geht mit dem Segen des Priesters und der Entlassung zu Ende. Am Schluss empfangen die Gläubigen vom Priester das Antidoron. Es ist das verbliebene Brot, das von den nicht zur Darbringung genutzten Teilen der Prosphoren genommen und während der Liturgie gesegnet worden ist. Zum Empfang des Antidoron sind in unserer Gemeinde alle getauften Christen herzlich eingeladen, während am Empfang der heiligen Kommunion nur orthodoxe Christen teilnehmen können, die sich darauf vorbereitet haben. Der Empfang des  Antidorons erinnert an den frühchristlichen Brauch der Agape, einer gemeinsamen Mahlzeit der Gemeindemitglieder nach der Liturgie, als Zeichen für die brüderliche Gemeinschaft der Gläubigen. Während die Gläubigen den Segen des Priesters empfangen und das Kreuz verehren, liest der Leser die Dankgebete nach der heiligen Kommunion.

 

 

Die Göttliche Liturgie - Beständigkeit als Leben aus der Fülle des Heiligen Geistes

 

 

Das Gebet, vor allem aber die Feier der Gottesdienste nimmt im Leben der orthodoxen Kirche den zentralen Platz ein. Dies gilt nochmals in herausgehobenem Maße für die Feier der Heiligen Liturgie, zu der alle übrigen Gottesdienste gleichsam als Vorstufen hinaufführen. Alles geistliche Leben in der Orthodoxie hat deshalb seinen Ursprung in der Feier der Göttlichen Liturgie. Obwohl zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert alle orthodoxen Kirchen den Gottesdienst der Kirche von Konstantinopel annahmen, also heute den byzantinischen Gottesdienstordnungen folgen, wie sie sich an der Großen Kirche der östlichen Christenheit, der Ἁγία Σοφία (Agia Sophia), der Kathedrale der Göttlichen Weisheit, herausgebildet haben, bedeutet diese sichtbare Einheit keinesfalls eine simple Einförmigkeit. Jedes orthodoxe Volk hat im Laufe seiner Geschichte - die immer auch eine je eigene Geschichte des orthodoxen geistlichen Lebens gewesen ist - seine ganz spezifische Weise entwickelt, seine besondere Liebe zu Christus in der je eigenen Art, die gemeinsame orthodoxe Liturgie zu zelebrieren auszudrücken. Orthodoxes kirchliches Leben bedeutet geistliches Leben, in der sich das gemeinsame liturgische Gut im Lichte der Eigenart einzelnen orthodoxen Völker wiederspiegelt. Nur in sofern sind die orthodoxen Ortskirchen auch Nationalkirchen, also Kirchen, die der universalen orthodoxen Glaubenserfahrung auf eine, den Menschen vor Ort angemessene Weise spirituellen Ausdruck verleihen.

 

Wenn es auch keine einheitliche Norm dafür gibt, wie jedes Detail der Göttlichen Liturgie zu vollziehen ist, so gibt es doch eine gemeinsame orthodoxe  Ordnung, die dem kirchlichen Geist, dem Zerkovnost´ als integralem Teil der orthodoxen Tradition entspringt. So gilt es in der orthodoxen Kirche als allgemein gesicherte und anerkannte Tatsache, daß eine Norm, die von allen orthodoxen Kirchen rezipiert ist, der demnach das Pleroma der Kirche das Siegel ihrer Zustimmung aufgedrückt hat, volle Verbindlichkeit besitzt. Eine solche Zustimmung gibt im besonderen Maße es für die bestehende orthodoxe Gottesdienstordnung, die den apostolischen Ursprung treu bewahrt, aber auch die Glaubenserfahrung der folgenden Generationen als dem Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche Christi Rechnung getragen hat. Insofern ist es in der gesamten Orthodoxie gemeinsame Überzeugung, dass keine einzelne orthodoxe Kirche die Gottesdienstordnung mutwillig verändern darf, weil sie damit sowohl die Einheit aller orthodoxen Kirchen als auch das orthodoxe Glaubensgut an sich damit in ernste Gefahr brächte.

 

Weil die Liturgie nicht einfach eine historisch gewachsene Größe im Leben der Kirche, sondern apostolisch gegründete Überlieferung, also einen integralen Bestandteil der Heiligen Tradition darstellt, warnte Seine Heiligkeit Patriarch den römischen Papst Paul VI. vor einer vorschnellen Liturgiereform. Denn jede wesentliche Veränderung in der Heiligen Liturgie kommt an der Frage nach dem Verbindlichkeitscharakter der christlichen Offenbarung und Fülle der kirchlichen Tradition nicht vorbei. Die Heilige Liturgie ist deshalb nicht etwas, über das die Kirche in freier Anpassung verfügen darf, will sie nicht leichtfertig elementare Teile der Glaubensüberlieferung damit in Frage stellen. Nicht umsonst war die protestantische Reformation zugleich mit einer massiven Veränderung und theologischen Umdeutung des Gottesdienstes verbunden. Nach orthodoxem Verständnis erhebt die Feier der Heiligen Liturgie, weil sie das unveränderbare apostolische Glaubensgut in einer unverwechselbareren Feier des Glaubensmysterions feiert, in allen alten Kirchen (orthodoxe Kirche, altorientalische Kirchen und bis zum Zweiten Vatikanum auch in der römischen Kirche) den Anspruch auf Verbindlichkeit für das geistliche Leben in der Kirche. Nach orthodoxem Verständnis ist diese Verbindlichkeit jedoch nicht starr, wie die Fundamentalisten meinen, noch nur zeitgebunden und damit jederzeit beliebig veränderbar, wie die Modernisten meinen, sondern die Verbindlichkeit ist vielmehr pneumatisch, das heißt offen für eine je neue Vertiefung in der jeweiligen Zeit und Kultur.

 

Diese Verbindlichkeit der liturgischen Ordnung bedeutet jedoch kein Streben nach starrer Einheitlichkeit, wie sie die römische Liturgie nach dem Konzil von Trient angenommen hatte. Denn der gemeinsame apostolische Kern der Göttlichen Liturgie wird gerade durch das Wirken des Heiligen Geistes an den zur Liturgiefeier um den Bischof oder den von ihm beauftragten Priester versammelten Gläubigen, der konkreten Heiligen, Katholischen und Apostolischen Kirche Jesu Christi vor Ort ausgelegt und verdeutlicht. Deshalb wird die Göttliche Liturgie zu jeder Zeit zugleich auch auf die den Menschen, die in dieser Zeit leben, gemäße Art zelebriert. Das wie wir feiern verändert sich, jedoch nicht das Wesen der Feier selbst. 

 

Insofern kann es nach orthodoxem Verständnis auch keine "Liturgie-Reform", wie sie die römische Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - durchaus mit vielen geistlichen Kollateralschäden - durchgeführt hat, sondern immer nur ein geistliches Leben  in der Zeit aus dem Pleroma, der Fülle des Wirkens des Heiligen Geistes an der Kirche geben. Diese Fülle des Heiligen Geistes; Sein Wirken, ist es, das die Feier des seit vielen Jahrhunderten gleichen liturgischen Gebetsformulars und seiner gottesdienstlichen Vollzüge zugleich immer wieder ganz "neu" in dem Sinne werden läßt, dass Christus mit Seinen Engeln und Heiligen inmitten der konkreten Gemeinde, der Versammlung (ekklesia) der Gläubigen, anwesend ist und durch die Feier der Heiligen Eucharistie dort Theosis, die vergöttlichende Gegenwart Gottes geschieht.

 

Insofern fragt die Orthodoxie im Gegensatz zu den abendländischen Kirchen nicht danach, was "zeitgemäß", sondern was Gottes-gemäß ist, also was, aus dem Wirken des Heiligen Geistes von der Fülle (pleroma) der gesamten Kirche erkannt, dazu dient, liturgisch der sakramentalen Gegenwart Christi inmitten der Ekklesia rechtgläubig zu dienen. So entfaltet sich der orthodoxe Gottesdienst als ein Gegenwärtig-werden der himmlischen Wirklichkeit inmitten der versammelten Gemeinde. Die Göttliche Liturgie und die sie umrahmenden Gottesdienste des orthodoxen Stundengebetes entfalten anbetend die genuin kirchliche Erfahrung, die sich zutiefst von den aus der protestantischen Reformation hervorgegangenen Glaubensgemeinschaften unterscheidet, eines liturgischen Einwerden der oberen himmlischen Welt mit der streitenden Kirche hier auf Erden.  "Wir haben das wahre Licht gesehen, wahren Glauben haben wir gefunden, die Allheilige Dreieinheit beten wir an...", so bekennt dieses Gegenwärtig-werden des Mysterions während der Feier der Göttlichen Liturgie am Ende der Feier die versammelte orthodoxe Gemeinde.

 

Insofern beinhaltet die Feier der Göttlichen Liturgie genau so wenig das Moment der Beliebigkeit, wie es das rechtgläubige Bekenntnis des christlichen Glaubens, das wir Orthodoxen mit den Worten des Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis vornehmen, darstellt. Der Heilige Basilius der Große bezeichnet die ungeschriebene Tradition, zu der auch die Heilige Liturgie gehört, als "Dogma", während er die geschriebene Tradition, die uns in der Heiligen Schrift und in den Werken der Heiligen Väter überliefert als "Kerygma" bezeichnet. Dabei gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Ost und West bezüglich des Begriff "Dogma". Während die abendländische Theologie den Begriff scholastisch begreift, also als eine Definition des Glaubensinhaltes, als einen Lehrsatz, ist er für die Orthodoxen vor allem eine geist-gewirkte Umschreibung des rechten Glaubens; ein Gebet, das seinen Sitz im geistlichen Leben der Kirche, in der Feier der Heiligen Liturgie hat. Für die orthodoxe Kirche gehören die  "horoi" des Dogmas, wie der griechische Theologe Christos Yannaras ausführt, nicht zu philosophisch-theoretischen Prinzipien, sondern sie umschreiben die Grenzen (horoi) der Erfahrung der Kirche, welche die gelebte Wahrheit von der Verfälschung durch Häresie trennen. Deshalb kennt die orthodoxe Theologie auch nicht der Vorstellung einer Dogmenentwicklung, sondern das Dogma ist genauso wie das Kerygma Bestandteil der apostolisch übermittelten Glaubenswahrheit. Nach den Worten des heiligen Basilius kommt es, dem gebeteten Dogma zu, das Kerygma auszulegen und zu vertiefen. Dies ist weniger eine Frage der Worte und Begriffe, wie die westlich-scholastische Theologie meint, sondern der Vollzug des Glaubens durch die Feier der Göttlichen Liturgie und der übrigen Mysterien (Sakramente). Das Leben der Kirche ist nicht in erster Linie die Lehre (Predigt), sondern vor allem Verkündigung durch das Gebet. Deshalb ist auch das Verständnis von Mission in den Kirchen des Westens und der Orthodoxie ganz unterschiedlich. Verkündigung geschieht nach orthodoxem Verständnis vor allem und in erster Linie in der Feier der Gottesdienste. Hier wird das Kerygma betend entfaltet, hier vollzieht sich die gesamte Fülle des Heiles in der Abfolge der Feste des Kirchenjahres. Insofern betrachtet die Orthodoxie die Feier der Göttlichen Liturgie als den eigentlichen Herzschlag der Kirche, der das gesamte Leben der Kirche und von dort aus auch den Alltag der orthodoxen Christen durchdringt. So sind das Kerygma und seine Vergegenwärtigung im Dogma die beiden Flügel der Heiligen Apostolischen Tradition. Mit dem heiligen Basilius geht es bei der Feier der  Liturgie nicht einfach um die Frage eines "zeitgemäßen" Gottesdienstes, um Fragen des Zeitgeschmacks bei der Durchführung des Ritus und einer dem modernen Empfinden angepassten Zelebrationsweise, vielmehr geht es beim Vollzug der Göttlichen Liturgie um gebetetes und gefeiertes Dogma.