Die Göttlichen Mysterien der orthodoxen Kirche - Die Krankensalbung

 

Das Sakrament der hl. Öls oder die hl. Krankensalbung ist in der orthodoxen Kirche kein Sterbesakrament, sondern vielmehr ein Sakrament der Heilung und der gesamtheitlichen Gesundung unser Person. Wie das geheiligte Öl auf unsere Haut gelegt wird, so legt sich auch während des hl. Sakramentes die heilende und heiligende Gnade Gottes auf uns. In der hl. Krankensalbung vollzieht sich also kein formelhafter Automatismus oder gar eine Form sakraler Magie, sondern in einem großen epikletisches Bittgebet, erfleht die Kirche für einen kranken Menschen die Gnade Gottes, die die Krankheiten der Seele und des Leibes durch Salbung mit geheiligtem Öl heilt. Im Vollzug des Sakramentes wird also die Vergebung der Sünden für den Kranken erbeten und der Heilige Geist angefleht, dass Er auf das Öl herniederkomme, es mit der Kraft der Göttlichen Gnade heilige und so alle Gebrechen des Leibes und der Seele heilen möge. Das hl. Öl-Sakrament ist jenes Göttliche Gnadenmittel, durch das das Heilungshandeln des einzigen wahren Arztes aller Menschen, des Herrn Jesus Christus, für uns vergegenwärtigt wird.

 

 

Das Sakrament des hl. Öl wurde durch den Herrn Jesus Christus Selbst eingesetzt. Er Selbst gab den hl. Jüngern und Aposteln die Vollmacht, Krankheiten zu heilen. Der hl. Evangelist Markus berichtet uns, dass die hl. Apostel daraufhin viele Kranke mit Öl gesalbt und geheilt haben (vgl.: Markus 6: 13).

 

 

Im Brief des hl. Apostels Jakobus lesen wir: „Ist jemand unter euch krank, so lasse er die Priester der Gemeinde zu sich rufen, und sie sollen über ihm beten und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben; und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufstehen lassen, und wenn er eine Sünde getan hat, wird ihm vergeben werden“ (Jak. 5: 14-15).

 

 

Das Sakrament wird auf Russisch Soborovanje (= Versammlung) genannt, weil es idealerweise von einer Versammlung aus sieben Priestern gespendet wird.

 

Heilung und Heiligung stehen in einen unauflösbaren Zusammenhang. Deshalb geht im Ölsakrament die Salbung auch mit der Reue einher und spendet den das Sakrament Empfangenden auch die vollständige Vergebung der Sünden. Das Öksakrament heilt also die Sündenkrankheit der Seele, damit der kranke Körper überhaupt erst empfänglich wird für die Gesundung. Die Heilung ist jedoch immer ein vollkommen freies Geschenk des allgütigen, barmherzigen, uns liebenden Gottes.

 

Krankheit und Leiden, die Verletzlichkeit und Gebrochenheit im menschlichen Leben und am Ende auch seine Begrenztheit gehören zu den Rahmenbedingungen des menschlichen Lebens seit dem Sündenfall unserer Ureltern Adam und Eva. Jede Form der Krankheit ist nicht nur eine physische oder psychische Dysfunktion, die sich einfach vermittels der menschlichen ärztlichen Heilkunst beheben ließe. Krankheit ist immer Ausdruck der geistlichen Gebrochenheit einer unter die Sünde und den Tod versklavten Welt. Sie ist eine tiefe Verletzung unseres Menschseins. Mit dieser Verletzung durch die Sünde ist nicht in erster Linie persönliche Schuld gemeint; Krankheit, Leiden und Tod sind eine Folge der ersten Sünde, die der Böse mit seinem Verderben in Gottes gute Schöpfung getragen haben. Krankheit und Tod entspringen deshalb niemals dem Willen Gottes, sondern sie sind eine Folge des Bösen in dieser gefallenen Welt.

 

 

Die Ursünde unserer Stammeltern Adam und Eva führte zu einem umfassenden Verlust des Paradieses. Das Paradies war nicht nur ein schöner „Garten“ mit jeder erdenklichen Art an Früchten, es war auch ein Ort des Heils und der Heiligkeit, an dem Krankheit und Tod nicht anwesend waren, wo der Mensch also heilig und damit heil sein konnte.

 

 

Der Sündenfall bedeutet nicht nur die Verfehlung gegen Gottes Gebot; er ist zugleich auch eine Leugnung dieses paradiesischen Seinszustandes. Der hl. Johannes Chrysostomus sagt, dass der Mensch dadurch seine vollkommene Schönheit verlor, die aus der Gemeinschaft mit Gott hervorstrahlte. Der Mensch ist nach dem Abbild Gottes erschaffen worden, um in der vollkommenen Gemeinschaft mit Gott zu leben.

 

Die Wurzel der Sünde ist immer unsere Entfremdung von Gott. Sie verdunkelt das Bild Gottes in uns. Davon ist nicht nur unsere Seele und unser Geist betroffen. Auch die Vollkommenheit und Schönheit unseres Körpers wurde durch die Ursünde verdunkelt. Er erkrankte im buchstäblichen Wortsinn an der Sünde und wurde anfällig für Krankheit und Tod.

 

 

Wie die ursprüngliche, paradiesische Gemeinschaft des Menschen mit Gott Voraussetzung für das „Sein im Paradies“, also für die Heiligung und Heiligkeit war, so ist unser Sein in einer durch die Ursünde gefallenen Welt der Grund, warum im Leben des Menschen jetzt Krankheit und Tod herrschen. Die Unterbrechung der Gemeinschaft mit Gott, die Entfremdung von Ihm, bringt einen Verlust des Guten und der Schönheit und zugleich die Unterwanderung unseres ganzen Seins mit den Folgen des Bösen, zu denen Krankheit und Tod gehören, mit sich.

 

 

Die Heiligen Gregor von Nyssa und Maximus der Bekenner erklären, dass wenn es in der Genesis heißt, dass der Mensch erkannte dass er „nackt“ war, im übertragenen Sinn bedeutet, dass der Mensch erkennen musste, das er das Heil und die gottwiederspiegelnde Schönheit gegen die Folgen der Ursünde, also Krankheit und Tod, vertauscht hatte. Um den nun unvollkommen gewordenen Körper zu schützen, gab Gott deshalb den Menschen die Bekleidung aus Tierhäuten (vgl.: Gen. 3:21).

 

 

Auch Christus hat nicht alle Kranken in Seiner Zeit auf Erden geheilt, aber Er hat alle Menschen erlöst. Es liegt deshalb allein in Gottes unergründbarer Vorsehung, ob mit der Gesundung der Seele auch die Heilung des Körpers einhergehen wird. Aber es gefällt Gott, unser Retter in Seinem Sohn Jesus Christus zu sein (vgl.: 1.Tim. 2: 4). Schon im Alten Testament lesen wir: „Ich bin der Herr, dein Arzt (wörtlich: Der dich Heilende)“ (Ex 15: 26) und „Ich … kann töten und lebendig machen; Ich kann schlagen und kann heilen …“ (Dtn. 32: 39). Und der Herr Jesus Christus, der zu unserem Heil menschgewordene Sohn Gottes, sagt über Sich: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Mk. 2: 17). Gott will also, dass alle Menschen gerettet werden, Vergebung der Sünden, Heil und Heilung durch die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus erfahren. Der hl. Ignatius von Antiochien, schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus: „Einer ist Arzt, aus Fleisch zugleich und aus Geist, gezeugt und ungezeugt, im Fleische erschienener Gott, im Tode wahrhaftiges Leben, aus Maria sowohl wie aus Gott, zuerst leidensfähig und dann leidensunfähig, Jesus Christus, unser Herr!“

 

 

Einer ist Arzt, Jesus Christus, der Herr! Er ist der Heiland des Menschengeschlechts! Christus, Der eingeborene Sohn des Vaters, wurde Mensch, damit der Mensch gerettet werde, das heißt, die durch die Sünde gestörte Gottesbeziehung des Menschen geheilt wird. Wenn wir uns Christus anschließen, Ihm nachfolgen, geheiligt und an Christi menschliche Natur verähnlicht, also verchristlicht werden, dann ereignet sich unser Übergang von der Gebrochenheit der Sünde in das Heil Gottes.

 

 

Diese Verähnlichung an Christus heilt den Menschen, indem sie ihn wieder in das Leben mit Gott zurückführt. Gesundung meint weit mehr als nur unsere körperliche Heilung. Es meint unsere Rückkehr in das Vaterhaus Gottes (Paradies) mit Körper, Geist und Seele, damit wir ganz heil zu werden vermögen in der Gegenwart der Liebe Gottes.

 

 

Die Heilung des Menschen durch den Herrn und Erlöser Jesus Christus, den Arzt unserer Seelen und Leiber, ist notwendig, weil der Mensch durch die Sünde die paradiesische Vollkommenheit verloren hat. Er kann Gott und dessen Willen nicht mehr erkennen, weil die Sünde ihn blind gemacht hat; weil die Sünde ihn wie eine geistliche Seuche krankgemacht hat. Von dieser Verkehrtheit kann der Mensch nur befreit werden, wenn er sich für die umfassende Heilung und Umkehr entscheidet.

 

So ist im menschgewordenen Sohn Gottes die durch die Sünde gestörte Beziehungen von Gott her geheilt worden. Die hl. Evangelien berichten uns den vielen heilenden Begegnungen des Herrn Jesus Christus mit den kranken und gebrochenen Menschen seiner Zeit. Und wie die Heilungen des Herrn, so ist auch das Heilshandeln der Kirche, das Wirken der hl. Sakramente, niemals mechanistisch oder gar magisch zu verstehen. Auch die hl. Krankensalbung ist immer eingebettet in den Glauben und das Vertrauen auf den uns liebenden, rettenden und heilenden Gott.

 

 

Deshalb versteht die orthodoxe Kirche das heilende Handeln des Herrn Jesus Christus immer als ein Sichtbarwerden des gesamtumfassenden Heilshandels Jesu Christi. Wir können deshalb auch das hl. Öl-Sakrament nicht auf das Heilen körperlicher oder seelischer Krankheiten reduziert. Wie alle Göttlichen Sakramente dient es dem Heil; also dem Gerettet-werden des ganzen Menschen. Das Öl-Sakrament ist eine Hinführung zur letztendlichen Heilwerdung des Menschen, wenn er vergöttlicht sein wird im ewigen Leben.

 

 

Die hl. Evangelien verkünden den Herrm Jesus Christus als unseren Arzt (Heiland) und Erretter. Christus ist der Heiland unserer Seelen und Leiber. In den Heilungen des Herrn geht es aber niemals nur um den körperlichen Aspekt dieser Wunder, sondern im Wunder am Körper des Kranken ereignet sich zugleich die Gesundung der Seele in ihrer Gottesbeziehung. So sind die Wundertaten des Herrn immer zugleich Offenbarwerden des, in der Menschwerdung des Gottessohnes bereits angebrochenen, gegenwärtigen Gottesreiches.

 

 

Die Begegnung mit Christus ist deshalb immer ein „Pharmakon Athanasias“ (φάρμακον ἀϑανασίας), ein „Medikament der Unsterblichkeit“. „Wer ist groß wie unser Gott, Du bist ein Gott der Wunder tut“, so singen wir mit Glauben, Hoffnung und Liebe im großen Prokimenon. Unser Herr und Erlöser Jesus Christus begann Sein öffentliches Wirken mit einem Wunder, als Er auf der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelt hat. Bei der wunderbaren Brotvermehrung hat der Herr Jesus Christus in Seinem Erbarmen Fünftausend Hungrige gespeist. Christus hat sich im wahren Wortsinn als unser Heiland während Seines Wirkens auf Erden erwiesen durch Seine unzähligen Heilungswunder an Blinden, Aussätzigen und Lahmen. Er hat den Sohn Witwe in Nain auferweckt und den schon drei Tage toten Freund Lazarus aus dem Grab ins Leben zurückgerufen. Deshalb dürfen auch wir uns mit unseren Krankheiten und Leiden Christus nahen und voll Vertrauen zu Ihm rufen: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes erbarme Dich!“ (Luk. 18: 38).

 

 

In Zeiten, in denen wir von Leiden und Krankheit überwältigt werden, möchte uns der hl. Prophet Jesaja mit den Worten tösten und aufrichten: „Gott, der Herr hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden!“ Vom hl. Nikephoros dem Leprakranken ist das folgende kurze Gebet überliefert: „Ich komme als ein Verwunderter und Kranker zum Arzt des Lebens, als ein Gebrochener zur Quelle des Erbarmens, als ein Erblindeter zum Licht der ewigen Klarheit, wie ein Armer und Mittelloser zum Herrn des Himmels und der Erde…“. Deshalb nennt die orthodoxen Kirche das geheiligte Öl der Krankensalbung auch das „Öl der Tröstung“.

 

 

Der Herr und Erlöser Jesus Christus als der Heilende legt Seine rettende Gnade in der hl. Krankensalbung und im Empfang der hl. Kommunion auf den Kranken, wie sich auch das geheiligte Öl auf die Haut des Heilungsssuchenden legt. Denn Christus hat das Heil eines jeden Einzelnen im Blick; Er ist Arzt des Leibes und der Seele eine jeden Menschen. Und Er weiß in Seiner Liebe und Barmherzigkeit um das Hoffen der Kranken auf Heil und Heilung: „Noch ehe ein Wort auf meine Zunge kommt, hast Du, o Herr, es schon gehört. Von allen Seiten umgibst du mich, ich bin ganz in Deiner Hand… Du hast mich geschaffen mit Leib und Geist, mich zusammengefügt im Schoß meiner Mutter. Dafür danke ich Dir, es erfüllt mich mit Ehrfurcht. An mir selber erkenne ich: Alle Deine Taten sind Wunder“ (Ps. 140, 4-5 &13-14).

 

 

Das Heil des Körpers steht in einer untrennbaren Beziehung zum Heil der Seele. Heil werden bedeutet im orthodoxen Verständnis auch immer Heiligung. Heiligkeit ist aber nicht nur irgendeine äußere Gabe Gottes an den Menschen, sondern es ist das Leben des Heilige Geist selbst in uns, „Der ausgegossen ist in unsere Herzen" (Röm. 5: 5).

 

 

„Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist“, so spricht der Priester den Menschen im Sakrament der hl. Myronsalbung an. Insofern steht auch das hl. Ölsakrament in einer inneren Beziehung zum Sakrament der hl. Myronsalbung.

 

Der hl. Apostel Paulus bekräftigt: „Das ist der Wille Gottes - eure Heiligung“ (1. Thess. 4: 3). Weil Gott selbst heilig ist: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev. 19: 2) will Gott das Heil des Menschen, damit er umkehre und (ewig) lebe (vgl.: Hes. 33: 11).

 

 

Um das Sakrament der hl. Öls, die Krankensalbung, geistlich einordnen zu können, müssen wir bereit werden, das dunkle Geheimnis von Sünde, Krankheit und Tod anzuerkennen. Und wir müssen verstehen lernen, dass es eine unlösbare Verbindung zwischen dem Heil und der Heiligung der Seele und dem Heilsein und der Gesundheit des Körpers gibt.

 

 

Krankheit geschieht nicht als Bestrafung des Sünders, sondern damit am Leidenden die Herrlichkeit Gottes offenbar werde. In dieser Weise ist auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl.: Lk 10: 25–37) zu verstehen: „… und Er (Christus) ging zu ihm, goss Öl (Symbol der Krankensalbung) und Wein (Symbol der Eucharistie) auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier (Symbol des Glaubens) und brachte ihn in eine Herberge (Symbol der Kirche)…“.

 

 

Auch wir gesunden Menschen sind durch unsere Sünden erblindet, auch wir sind unter die Räuber unserer Sünden und Leidenschaften gefallen. Auch für uns gilt: Christus, der Herr und Gott, ist der wahre Arzt, wie wir es im zweiten Buch Moses, im fünfzehnten Kapitel, Vers 26, lesen können: „Ich bin dein Gott, dein Arzt.“

 

 

Da wir alle an der Sünde Erkrankte sind und die Kirche ein geistliches Krankenhaus ist, wird in den orthodoxen Gemeinden die hl. Krankensalbung in der Hohen und Heiligen Woche für alle Gläubigen gespendet. Dabei werden alle, die zum Empfang der hl. Salbung hinzutreten, nur einmal gesalbt. Ansonsten soll die Krankensalbung von sieben Priestern mit sieben Salbungen vollzogen werden.

 

 

Das Sakrament des hl. Öls ist aber nicht allein eine individuelle Seelentröstung, sondern vielmehr in besonderer Weise Ausdruck der verbindenen Gemeinschaft, der Koinonia (Communio) in der Kirche und ihres gemeinschaftsbezogen Heilsverständnisses, denn die hl. Handlung wird wie alle Sakramente der Kirche in der Synaxis (Versammlung), das heißt, in der Gemeinschaft der Kirche vollzogen. Und nur dann, wenn der Kranke sein Lager nicht verlassen kann, wird es zu Hause, aber auch dann inmitten der Versammlung von sieben Priestern vollzogen.

 

Hieran wird deutlich, daß das Öl-Sarament nicht ein Mittel individualistischer Frömmigkeit ist. Es ist eine Feier und ein Sakrament der Kirche, und die Kirche ist die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass der einzelne Gläubige Seine Gnade empfangen kann. Der mystische Leib Christi auf Erden ist also der Ort, wo dem einzelnen Christusbegegnung und Heilserfahrung geschenkt werden. So mindert die ekklesiale Dimension der Krankensalbung nicht die Möglichkeit zur Gottesbeziehung, sondern bestimmt vielmehr den Rahmen, in dem diese Beziehung, insofern sie sakramental vermittelt ist, Wirklichkeit wird.

 

 

Es sind sieben Priester, gemäß den sieben Lesungen aus Apostel und Evangelium, den sieben Ektenien, den sieben Epiklesen, den sieben Priestergebeten und den sieben Salbungen. Die Siebenzahl ist ein Hinweis auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes (vgl.: Gal. 5: 22). In den Gebeten wird Bezug genommen auf die Auferweckung des Kindes der Sunamitin durch den hl. Proheten Elisa (vgl.: 4. Kon. 4: 35), die Gebete des hl. Propheten Elias auf dem Karmel (vgl.: 3. Kön. 18: 43) und des Untertauchens des Syrers Naaman im Jordan (vgl.: 4. Kön. 5: 14).

 

 

Bei der Deutung der hl. Handlung ist es ebenfalls von Bedeutung, dass zum Vollzug dieses Sakramentes nicht allein Öl gebraucht wird. Auf einem Tisch vor den hl. Ikonen Christi und der Gottesgebärerin steht eine Schüssel mit Weizenkörnern. In der Mitte befindet sich Gefäß, in welches Öl und Wein zu Beginn der hl. Handlung gegossen wird. Der Weizen versinnbildlicht die Frucht des Lebens (vgl.: Mk 4: 1-20) und das Keimen des neuen Lebens aus dem Tode (vgl.: Joh. 12: 24; 1. Kor. 15: 36-38). Das Öl, das bei der hl. Salbung verwendet wird, weist hin auf die Heilungen der Kranken, die die hl. Apostel nach Mk 6: 13 durch Ölsalbungen erwirkten. Der Wein, der beigemischt wird, versinnbildlicht das Blut Christi, durch das am Kreuz unsere Sünden geheilt wurden und das Blut Christi in der hl. Eucharistie. Die Mischung von Wein und Öl aber erfolgt als Nachahmung der Heilung des unter die Räuber Gefallenen durch den Barmherzigen Samariter. Dieser gute Samariter ist nach der Deutung der hl. Väter unser Herr und Erlöser Jesus Christus Selbst, der Arzt unserer Seelen und Leiber (vgl.: Lk. 10: 34).

 

 

Der Gottesdienst der hl. Salbung hat drei Teile: erstens ein Moleben, einer gekürzten Utrenija (Morgengottesdienst) mit Oden und Laudespsalmen. Zweitens der Heiligung des Krankenöls, bestehend aus einer Ektenie, einer Epiklese und der Anrufung der Hilfe und des Beistandes der Heiligen durch den Gesang ihrer Tropare.

 

Der dritte Teil ist dann die hl. Ölung selbst mit sieben Apostellesungen, sieben Evangelien, sieben Ektenien, sieben Priestergebeten und sieben Salbungen. An diesen Priestergebeten fällt besonders auf, dass sie in Inhalt und Struktur weitgehend mit den Absolutionsgebeten der hl. Beichte sowie mit den Kommunionsgebeten übereinstimmen.

 

 

Wie in den Gebeten der hl. Beichte und den Vorbereitungsgebeten auf die hl. Kommunion werden auch hier Beispiele aus der Heiligen Schrift über die Vergebung und Errettung aus Sünde und Schuld angesprochen sowie die Verzeihung und Nachlass der Sünden und Verfehlungen für den die hl. Salbung Empfangenden erbeten. Im sechsten Priestergebet wird dann die Heilung des Gelähmten erwähnt (vgl.: Matth 9: 1-8; Mk 2: 1-12), dem der Herr Sündenvergebung zusprach, ehe Er sein körperliches Leiden heilte.

 

 

Die Krankensalbung hat schließlich auch einen eschatologischen Charakter. Durch die Krankensalbung werden die seelischen Gebrechen der menschlichen Person geheilt und dadurch wird ihr auch einen Weg zur körperlichen Gesundung eröffnet. Aber alles Heilsein in diesem irdischen Leben ist und bleibt endlich. So ist die Ölsalbung auch bereits eine Anteilgabe am eschatologischen Heil der kommenden Welt, wo Christus jede Träne und alle Leid, jede Krankheit und auch den Tod weggenommen haben wird. Im Buch der Apokalypse finden wir die tröstende Verheißung: „Er wird ihnen alle Tränen abwischen. Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid, keine Klage und keine Schmerzen; denn was einmal war, ist für immer vorbei“ (Apk. 21: 4).

 

Priester Thomas Zmija